2. Vor diesem Hintergrund ist die G 10-Kommission nicht als oberstes Bundesorgan
im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG parteifähig.
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Sie wird nicht von der Verfassung - namentlich von Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG - in
Existenz, Status und wesentlichen Kompetenzen konstituiert.
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Nach der Entstehungsgeschichte und der Zielsetzung des Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG
kommt der Verfassungsnorm über ihren objektiven Aussagegehalt hinaus keine kompetenzschützende Wirkung zu Gunsten „der von der Volksvertretung bestellten Organe oder Hilfsorgane“ zu (vgl. BTDrucks V/1879, S. 17 f.).
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Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG enthält keinen verbindlichen Verfassungsauftrag. Das Gesetz „kann“ bestimmen, dass Beschränkungsmaßnahmen dem Betroffenen nicht mitgeteilt werden und dass an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von
der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt. Die Verfassungsvorschrift
kann im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur so verstanden werden, dass sie die nachträgliche Benachrichtigung zulässt und sie in den Fällen fordert, in denen eine Gefährdung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme und eine
Gefährdung des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des
Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes ausgeschlossen werden kann. Die Vorschrift lässt auch Raum, es beim normalen Rechtsweg zu belassen
oder statt der Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe ein besonderes gerichtliches Verfahren vorzusehen, falls dies ohne Gefährdung des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der
Sicherung des Bundes oder eines Landes möglich sein sollte (vgl. BVerfGE 30, 1
<21>). Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG ermächtigt zu einer Beschränkung der Mitteilungspflicht, gebietet eine solche aber nicht. Würde der einfache Gesetzgeber eine Mitteilungspflicht gegenüber den Betroffenen begründen, entfiele folglich das verfassungsrechtliche Bedürfnis der Existenz eines Kontrollorgans. Damit hängt schon die
Existenz der G 10-Kommission vom Willen des Gesetzgebers ab. Darüber hinaus
verlangt Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG nur, dass das zu seiner Ausführung ergehende Gesetz „ein“ Organ (vgl. BVerfGE 30, 1 <30>) vorsehen muss. Wie die Kontrolle auszugestalten ist, schreibt die Verfassung nicht vor. Dem Gesetzgeber ist bei der Gestaltung der Kontrolle im Einzelnen, etwa bei der Entscheidung über die kontrollierende
Stelle, grundsätzlich ein Regelungsspielraum eingeräumt (vgl. BVerfGE 100, 313
<361>). So kann die Kontrolle der Maßnahmen der strategischen Überwachung
durch unabhängige und an keine Weisung gebundene staatliche Organe und Hilfsorgane auch durch den Datenschutzbeauftragten sichergestellt werden (vgl. BVerfGE
67, 157 <185>). Folglich steht es dem Gesetzgeber auch frei, Status und wesentliche
Kompetenzen des Organs zu definieren, soweit eine hinreichend wirksame Kontrolle
gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 100, 313 <361 f.>).
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Überdies weist die Verfassung der G 10-Kommission keine eigenständigen Aufgaben im Bereich der politischen Staatsleitung zu (zur Staatsleitung als Regierungsaufgabe vgl. schon BVerfGE 11, 77 <85>; 26, 338 <395 f.>; zur Staatsleitung durch Ge-
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