Satz 2 GG).
Art. 10 GG vermittelt den Grundrechtsträgern ferner Anspruch auf Kenntnis von
Maßnahmen der Brief-, Post- und Fernmeldeüberwachung, die sie betroffen haben.
Das ist ein Erfordernis effektiven Grundrechtsschutzes. Denn ohne eine solche
Kenntnis können die Betroffenen weder die Unrechtmäßigkeit der Erfassung und
Kenntnisnahme ihrer Fernmeldekontakte noch etwaige Rechte auf Löschung oder
Berichtigung geltend machen. Dieser Anspruch verengt sich nicht sogleich auf den
gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Zunächst handelt es sich vielmehr
um ein spezifisches Datenschutzrecht, das gegenüber der informations- und datenverarbeitenden staatlichen Stelle geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 100,
313 <361>).
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Wie die Kenntnisgewährung im Einzelnen auszugestalten ist, gibt das Grundgesetz
dabei nicht vor. Die Verfassung gebietet nur, dass eine Benachrichtigung dann stattfindet, wenn Datenerhebungen heimlich erfolgen, Auskunftsansprüche aber nicht
eingeräumt worden sind oder den Rechten der Betroffenen nicht angemessen Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>). Allerdings unterliegt auch die Mitteilungspflicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 GG. Soweit die Kenntnis des
Eingriffs in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis dazu führen würde, dass dieser seinen Zweck verfehlt, ist es daher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, die Kenntnisgewährung entsprechend einzugrenzen. Unter Umständen genügt
es, den Betroffenen erst später von dem Eingriff zu benachrichtigen (vgl. BVerfGE
100, 313 <361>). Wegen der Unbemerkbarkeit der Eingriffe in das Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnis, der Undurchsichtigkeit des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen, der Möglichkeit, die Mitteilung zu beschränken,
und der dadurch entstehenden Rechtsschutzlücken gebietet Art. 10 Abs. 2 Satz 2
GG zudem eine Kontrolle durch unabhängige und an keine Weisung gebundene
staatliche Organe und Hilfsorgane (vgl. BVerfGE 30, 1 <23 f., 30 f.>; 65, 1 <46>; 67,
157 <185>; 100, 313 <361>).
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In Ausführung des Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG muss das Gesetz eine Nachprüfung
vorsehen, die materiell und verfahrensmäßig der gerichtlichen Kontrolle gleichwertig,
insbesondere mindestens ebenso wirkungsvoll ist, auch wenn der Betroffene keine
Gelegenheit hat, in diesem „Ersatzverfahren“ mitzuwirken. Bei dieser Auslegung verlangt Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG, dass das zu seiner Ausführung ergehende Gesetz unter den von der Volksvertretung zu bestellenden Organen und Hilfsorganen ein Organ vorsehen muss, das in richterlicher Unabhängigkeit und für alle an der
Vorbereitung, verwaltungsmäßigen Entscheidung und Durchführung der Überwachung Beteiligten verbindlich über die Zulässigkeit der Überwachungsmaßnahme
und über die Frage, ob der Betroffene zu benachrichtigen ist, entscheidet und die
Überwachungsmaßnahme untersagt, wenn es an den rechtlichen Voraussetzungen
dazu fehlt (vgl. BVerfGE 30, 1 <23>). Diese Kontrolle muss Rechtskontrolle sein.
Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG lässt aber eine Regelung zu, nach der das Kontrollorgan
aus Gründen der Opportunität auch in einem Fall, in dem die gesetzlichen Vorausset-
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