Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

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Drucksache 15/718

Nach § 14 Abs. 1 G10 hat der für die Anordnung einer
Beschränkungsmaßnahme nach dem G10 zuständige Bundesminister in Abständen von höchstens sechs Monaten das
Kontrollgremium über die Durchführung des G10 zu unterrichten. Dabei geht es nicht um Einzelfälle, sondern um eine
Gesamtübersicht der Beschränkungsmaßnahmen und ihrer
Ergebnisse sowie allgemein um Grundsatzfragen bei der
Durchführung von Eingriffen in das Grundrecht aus Artikel
10 GG.

Auskunft zu den Fragen der Kommission sowie Einsicht in
alle Unterlagen, die im Zusammenhang mit den Beschränkungsmaßnahmen stehen, gewährt wurde. Dabei wurden
auch die von den Diensten ergriffenen Maßnahmen hinsichtlich der Umsetzung der Protokollierungs-, Kennzeichnungs- und Löschungspflichten in Augenschein genommen.

Diese Halbjahresberichte müssen dabei einen Überblick
über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im
Berichtszeitraum durchgeführten Beschränkungsmaßnahmen enthalten. Die Berichte sollen insoweit denjenigen entsprechen, die die Staatsanwaltschaften gem. § 100e StPO
der jeweils zuständigen obersten Justizbehörde erstatten.
Die Kontrollkompetenz des Parlamentarischen Kontrollgremiums erschöpft sich dabei aber nicht in der Entgegennahme der Berichte, sondern erstreckt sich im Kern vielmehr darauf, von den zuständigen Bundesministerien
jederzeit Auskunft über alle Aspekte der Brief-, Post- und
Fernmeldeüberwachung verlangen zu können.

Nach Artikel 10 Abs. 1 GG sind das Briefgeheimnis sowie
das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet
werden (Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 GG). Dies ist durch das
G10 geschehen.

Das Parlamentarische Kontrollgremium wurde auch im vorliegenden Berichtszeitraum entsprechend der gesetzlichen
Regelung in halbjährlichen Abständen über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der durchgeführten Beschränkungsmaßnahmen sowie über die erfolgten Mitteilungsentscheidungen unterrichtet.
2. Die Kontrolle durch die G10-Kommission
Die Kontrolle der im Einzelfall angeordneten und zu vollziehenden Beschränkungsmaßnahmen nach dem G10 obliegt der G10-Kommission. Ihrer Tätigkeit hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 14. Juli 1999
(BVerfGE Bd. 100, S. 313 [S. 401]) eine wesentliche Bedeutung beigemessen. Das Gericht betonte die Notwendigkeit, die Kommission personell und sachlich angemessen
auszustatten. Das neue G10 trägt diesen Vorgaben in § 15
Abs. 3 G10 Rechnung. Die G10-Kommission entscheidet
als unabhängiges und an keine Weisungen gebundenes Organ von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden über
die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen. Die Kontrolle der G10-Kommission erstreckt
sich dabei auf den gesamten Prozess der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem G10 erlangten personenbezogenen Daten durch die Nachrichtendienste des Bundes
einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene. Mit der Neuregelung des G10 im Jahre 2001 wurden die bestehenden Einsichts- und Zutrittsrechte der Kommission besonders ausgestaltet.
Im Berichtszeitraum hat die Kommission – wie in der Vergangenheit – in ihren monatlichen Sitzungen in jedem Einzelfall über die Zulässigkeit und Notwendigkeit der jeweiligen Beschränkungsmaßnahmen entschieden. Ferner hat sie
Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern überprüft und
die Petenten entsprechend dem Ergebnis ihrer Prüfung verbeschieden.
Die Mitglieder der G10-Kommission haben sich darüber hinaus auch vor Ort bei den Diensten über die Umsetzung der
neuen Regelungen informiert. Die Kommission hat weiterhin von ihrem Recht nach § 15 Abs. 5 G10 Gebrauch gemacht und Mitarbeiter zu den Diensten entsandt, denen dort

IV. Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 3, 5
und 8 G10

§ 1 Abs. 1 G10 enthält die Grundbestimmung für entsprechende Beschränkungsmaßnahmen. Die Vorschrift umschreibt in allgemeiner Form, wer zu welchem Zweck Überwachungsmaßnahmen nach diesem Gesetz durchführen
darf. Allgemeine Voraussetzung für den Grundrechtseingriff
einer Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ist zunächst das Tätigwerden zur Abwehr von
drohenden Gefahren für überragende Rechtsgüter. Die überragenden Rechtsgüter sind in § 1 Abs. 1 G10 enumerativ
genannt. Danach geht es im Einzelnen um die Abwehr von
drohenden Gefahren
– für die freiheitliche demokratische Grundordnung,
– für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder
eines Landes,
– für die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland
stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten
des Nordatlantik-Vertrages.
Die weiteren Voraussetzungen richten sich danach, welche
Art der Maßnahme vorgenommen wird. Unterschieden wird
dabei zwischen den Beschränkungen in Einzelfällen nach
§ 3 G10 (sog. Individualmaßnahmen) und den strategischen
Beschränkungen nach den §§ 5 und 8 G10.
1. Beschränkungen in Einzelfällen nach § 3 G10
a) Allgemeine Voraussetzungen
Die Post- und Fernmeldekontrolle der Nachrichtendienste
ist eine Erkundung im strafrechtlichen Vorfeld. Soweit sich
die Maßnahme gegen den einzelnen Verdächtigen und ggf.
gegen Umfeldpersonen richtet, wird sie als „Beschränkung
im Einzelfall“ oder auch als „Individualkontrolle“ bezeichnet. Die Voraussetzungen sind in § 3 G10 geregelt. Danach setzt eine Beschränkung der Grundrechte des Einzelnen zusätzlich voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für
den Verdacht bestehen, dass diese Person eine der in der
Vorschrift aufgeführten „Katalogstraftaten“ plant, begeht
oder begangen hat. Im Einzelnen werden folgende Straftaten aufgeführt:
(1) Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats
(§§ 80 bis 83 StGB)
(2) Straftaten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84 bis 86, 87 bis 89 StGB, § 20 Abs. 1 Nr. 1
bis 4 des Vereinsgesetzes)
(3) Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der
äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 96, 97a bis 100a StGB)

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