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Im Zusammenhang mit den gescheiterten Kofferbombenattentaten im Juli 2006 hat das BMI den Gesetzentwurf
ergänzt. Über die Notwendigkeit der Änderungen „aus
Gründen der Inneren Sicherheit“ habe ich verschiedene
Gespräche mit dem BMI geführt. In zwei Punkten blieben
meine Zweifel bestehen:
Ich erkenne nicht die Erforderlichkeit der in § 73
Abs. 3 AufenthG-E vorgesehenen Regelung, dass auch
sämtliche von den Sicherheitsbehörden an die am Überprüfungsverfahren beteiligten Stellen übermittelten Daten, bei denen keine Gründe für Sicherheitsbedenken festgestellt wurden (Nichttrefferfälle), dort für den gesamten
Gültigkeitszeitraum des Aufenthaltstitels gespeichert sein
müssen. Die Speicherung personenbezogener Daten auf
Vorrat zu Personen, bei denen solche Erkenntnisse fehlen,
halte ich – wie bei Dateien der Polizeien und der Nachrichtendienste des Bundes und der Länder – auch hier
nicht für erforderlich. Ich bin deshalb der Ansicht, dass
die übermittelten Daten nach der Überprüfung gelöscht
werden müssen.
Weiter sehe ich es kritisch, dass der Gesetzentwurf die
bisherige abgestufte Regelung bei der Abfrage des AZR
nicht beibehält. Schon die angestrebte unbegrenzte Zugriffsmöglichkeit für alle in § 15 AZRG-E genannten
Behörden stellt eine bedeutsame datenschutzrechtliche
Verschlechterung dar. Bisher ist für sonstige Polizeivollzugsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte für die
Abfrage des AZR in § 16 AZRG ein gestuftes Verfahren
vorgesehen. Abfragen dürfen danach in drei Stufen erfolgen. In jeder ist die Erforderlichkeit für die Aufgabenerfüllung neu zu prüfen; wird diese bejaht, erhalten die
Stellen weitergehende Informationen. In der dritten und
weitestgehenden Stufe ist ein automatisierter Abruf nach
§ 22 Abs. 1 AZRG ausgeschlossen.
Ich hoffe, dass das BMI die von mir vorgebrachten Argumente im weiteren Verfahren berücksichtigt. Ergebnisse
lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
7.1.2
Die Integrationsgeschäftsdatei beim
Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat ein
IT-unterstütztes System zur Koordinierung, Steuerung
und Abrechnung von Integrationskursen entwickelt.
In §§ 43, 44, 44a AufenthG, § 9 Abs. 1 Bundesvertriebenengesetz sowie § 11 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU
werden erstmals Integrationskurse für alle Zuwanderer
(Ausländer, Spätaussiedler und Staatsangehörige eines
EU-Mitgliedstaates) einheitlich gesetzlich geregelt
(vgl. 20. TB Nr. 6.1.2 und 6.1.2.2). Dem Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge wurde durch das Zuwanderungsgesetz (§ 75 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz – AufenthG)
die Aufgabe übertragen, die Durchführung von Integrationskursen zu koordinieren und zu steuern. Dabei ergeben
sich Schnittstellen zu den beteiligten Ausländerbehörden
(ABH), dem Bundesverwaltungsamt (BVA) und zu
Kursträgern, die im Auftrag des Bundesamtes die Integrationskurse durchführen. Daher hat das Bundesamt zur Erledigung seiner Aufgaben eine IT-unterstützte „Integrationsgeschäftsdatei (InGe)“ entwickelt. Bei dieser Datei,
seit 1. Januar 2005 im Echtbetrieb, handelt es sich um ein
Datenverwaltungs- und Informationssystem zur Erfassung, Speicherung, Verarbeitung, Pflege und Anzeige von
Daten über die Teilnehmer von Integrationskursen.
Zur Konzeption des Systems und dessen Weiterentwicklung habe ich mehrere Informations- und Beratungsbesuche durchgeführt. Zunächst wurde InGe als interne Datenbank für die zuständigen Mitarbeiter des Bundesamtes
konzipiert. Die nunmehr beabsichtigte Online-Anbindung
der Kursträger bildet vorerst den Endpunkt bei der Fortentwicklung der Datenbank (Kursträger Online). Die flächendeckende Umstellung ist bis zum Herbst 2007 vorgesehen.
Gegen die vorliegenden Planungen und insbesondere die
beabsichtigten Maßnahmen im Bereich der Daten- und
Anwendungssicherheit bestehen keine datenschutzrechtlichen Bedenken, zumal wegen der Anbindung der Kursträger über das Internet der Datenschutz mittels zusätzlicher Sicherheitskomponenten gewährleistet werden soll.
Ich habe dem Bundesamt angeboten, auch die weiteren
Realisierungsschritte beratend zu begleiten.
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006
e
Ferner ist nicht nachvollziehbar, warum nicht zwischen
Drittstaatsangehörigen und Staatsangehörigen der EU unterschieden wird. Ich unterstreiche erneut (vgl. 20. TB
Nr. 6.1.3), dass die generelle Speicherung der Daten von
Unionsbürgern im AZR gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. Unionsbürger benötigen nach § 2
Abs. 4 Freizügigkeitsgesetz/EU für die Einreise weder
ein Visum noch einen Aufenthaltstitel. Sie erhalten von
der Ausländerbehörde lediglich eine Bescheinigung über
ihr Aufenthaltsrecht (§ 5 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/
EU). Im Hinblick auf das zur Zeit in dieser Sache anhängige Verwaltungsstreitverfahren und im Hinblick auf das
von der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren (vgl. 20. TB Nr. 6.1.4) sollten zumindest weitere
Zuspeicherungen für Staatsangehörige von EU-Mitgliedstaaten vermieden und Unionsbürger von der beabsichtigten Regelung in § 3 Nr. 5a AZRG-E ausgenommen werden.
Bei dem beabsichtigten unbeschränkten und stufenlosen
Online-Zugriff auf das AZR wird – anders als bisher – der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend beachtet. Für den beabsichtigten Wegfall der datenschutzrechtlich bedeutsamen Sicherungen des Datenabrufs liefert die Gesetzesbegründung keine überzeugenden
Argumente. Der angeführte schnelle Zugriff reicht jedenfalls nicht aus; einen solchen haben die Stellen bei entsprechendem Bedarf bereits jetzt.
R
lich sind, etwa durch Vergleich mit Identitätspapieren und
ggf. mit Lichtbildern, die sich in Ausländerakten befinden.