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K a s t e n zu Nr. 5.4.1
Entschließung der 70. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 27./28. Oktober 2005 in der Hansestadt Lübeck
Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei verdeckten Datenerhebungen der Sicherheitsbehörden
Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2005 zur präventiven Telekommunikationsüberwachung
nach dem niedersächsischen Polizeigesetz folgt, dass der durch die Menschenwürde garantierte unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung im Rahmen aller verdeckten Datenerhebungen der Sicherheitsbehörden uneingeschränkt zu gewährleisten ist. Bestehen im konkreten Fall Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine Überwachungsmaßnahme Inhalte erfasst, die zu diesem Kernbereich zählen, ist sie nicht zu rechtfertigen und muss unterbleiben
(Erhebungsverbot). Für solche Fälle reichen bloße Verwertungsverbote nicht aus.
Die Gesetzgeber in Bund und Ländern sind daher aufgerufen, alle Regelungen über verdeckte Ermittlungsmethoden
diesen gerichtlichen Vorgaben entsprechend auszugestalten.
Diese Verpflichtung erstreckt sich auch auf die Umsetzung der gerichtlichen Vorgabe zur Wahrung des rechtsstaatlichen Gebots der Normenbestimmtheit und Normenklarheit. Insbesondere im Bereich der Vorfeldermittlungen verpflichtet dieses Gebot die Gesetzgeber auf Grund des hier besonders hohen Risikos einer Fehlprognose, handlungsbegrenzende Tatbestandselemente für die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu normieren.
Im Rahmen der verfassungskonformen Ausgestaltung der Vorschriften sind die Gesetzgeber darüber hinaus verpflichtet, die gerichtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – insbesondere die Angemessenheit der Datenerhebung – und eine strikte Zweckbindung umzusetzen.
In der Entscheidung vom 27. Juli 2005 hat das Gericht erneut die Bedeutung der – zuletzt auch in seinen Entscheidungen zum Großen Lauschangriff und zum Außenwirtschaftsgesetz vom 3. März 2004 dargelegten – Verfahrenssicherungen zur Gewährleistung der Rechte der Betroffenen hervorgehoben. So verpflichtet beispielsweise das Gebot
der effektiven Rechtsschutzgewährung die Sicherheitsbehörden, Betroffene über die verdeckte Datenerhebung zu informieren.
Diese Grundsätze sind sowohl im Bereich der Gefahrenabwehr als auch im Bereich der Strafverfolgung, u. a. bei der
Novellierung der §§ 100a und 100b StPO, zu beachten.
Die Konferenz der DSB erwartet, dass nunmehr zügig die erforderlichen Gesetzgebungsarbeiten in Bund und Ländern zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei allen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen aufgenommen und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ohne Abstriche umgesetzt werden.

Wirksame Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sind dabei auch im Hinblick auf
alle anderen heimlichen Datenerhebungsbefugnisse des
Zollkriminalamtes und der Zollfahndungsämter erforderlich.

5.4.2

INZOLL – neu

Mit Inkrafttreten des Zollfahndungsdienstgesetzes im
August 2002 wurde die Neukonzeption des Informationsund Auskunftssystems über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zuständigkeitsbereich der Bundeszollverwaltung (INZOLL) erforderlich.
INZOLL-neu ist eine Sammlung personenbezogener Daten im Rahmen des Zollfahndungsinformationssystems
gem. §§ 3 Abs. 3, 11 bis 13 des Zollfahndungsdienstgesetzes (ZFdG). Es wird vom Zollkriminalamt in seiner
Funktion als Zentralstelle für den Zollfahndungsdienst
und andere Dienststellen der Zollverwaltung geführt. Der
Zugriff auf die Dateien dieses Systems, die datenschutzrechtliche Verantwortung für die darin gespeicherten Daten sowie das Verfahren der Protokollierung von Zugriffen sind dabei in Anlehnung an die Regelungen nach dem
BKA-Gesetz zum Informationssystem der Polizeien des
Bundes und der Länder (INPOL) normiert worden. Das
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

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Unter den Polizeibehörden des Bundes ist bisher allein
das Zollkriminalamt zur Durchführung der präventiven
Telekommunikations- und Postüberwachung befugt. Eine
Neuregelung war nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2004 zur präventiven Telekommunikationsüberwachung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (1 BvF 3/92 – vgl. 20. TB Nr. 5.4.3)
erforderlich geworden. Im Hinblick auf das o. a. Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zur präventiven Telekommunikationsüberwachung nach dem niedersächsischen SOG
ist eine entsprechende Ergänzung dieser Befugnisse dringend geboten, zumal die entsprechenden Befugnisregelungen im Zollfahndungsdienstgesetz zum 30. Juli 2007
auslaufen.

Ich werde in weiteren Gesetzgebungsverfahren darauf
hinwirken, dass die verfassungs- und datenschutzrechtlichen Vorgaben gebührende Beachtung finden.

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Betroffenen über verdeckte Datenerhebungsmaßnahmen
zu unterrichten.

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