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Überblick über die Datenverarbeitung durch Polizeistellen des Bundes in der Datei „Gewalttäter Sport“ zu erhalten, habe ich die Ausschreibungen des Bundespolizeiamtes Köln im November 2005 kontrolliert.
Im Rahmen dieser Kontrolle habe ich u. a. bemängelt,
dass bei allen Datensätzen, unabhängig davon, ob ihnen
ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder eine Gefahrenabwehrmaßnahme zu Grunde lag, einheitlich eine
fünfjährige Aussonderungsprüffrist vergeben wurde. Dies
trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er in
§ 35 Abs. 3 Satz 3 Bundespolizeigesetz zum Ausdruck
kommt, nicht Rechnung; vielmehr ist bei den Aussonderungsprüffristen nach dem Zweck der Speicherung sowie
Art und Schwere des Sachverhalts zu differenzieren.
Zudem habe ich empfohlen, bis zur endgültigen Festlegung der Aussonderungsprüffrist den Ausgang des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zu berücksichtigen. Kritisch habe ich bewertet, dass eine als
„Gewalttäter Sport“ ausgeschriebene Person bei einer
polizeilicher Kontrolle im Inland und an den Grenzen
durch Dienststellen der Bundespolizei auch dann an die
ausschreibende Stelle gemeldet wurde, wenn ihr Antreffen in keinem Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung stand. So entstanden einige Treffermeldungen bei
der polizeilichen Kontrolle von „Gewalttätern Sport“, die
ausschließlich zu Urlaubszwecken ausreisen wollten. In
einem solchen Fall wurden auch die personenbezogenen
Daten der Begleitperson mitgeteilt.
Die mit der „Treffermeldung“ übermittelten Informationen über Ort und Zeit des Antreffens der Person, über
Reisewege und Ziel, die Umstände des Antreffens sowie
zum Teil über Begleitpersonen führen bei der ausschreibenden Behörde zu einem Kenntnisstand, der zulässigerweise nur über eine Fahndungsausschreibung zur polizeilichen Beobachtung erzielt werden kann. Die
Voraussetzungen dafür waren in diesen Fällen jedoch regelmäßig nicht erfüllt. Eine Übermittlung von „Treffermeldungen“ durch die Bundespolizei an die ausschreibende Behörde halte ich nur dann für vertretbar, wenn
diese unmittelbar im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen erfolgt, z. B. wenn Informationen über die grenzpolizeiliche Kontrolle betroffener Personen bei Fußballspielen im Ausland oder über anreisende „Gewalttäter
Sport“ anlässlich eines Fußballspiels im Inland mit besonderem Gefährdungspotential gemeldet werden.
Das BMI hat meine Anregungen aufgegriffen. Mit einem
Rundschreiben an die Bundespolizeipräsidien weist die
Bundespolizeidirektion darauf hin, dass bei einer Ersterfassung von Datensätzen in der Datei „Gewalttäter Sport“
eine höchstens zweijährige Aussonderungsprüffrist zu
vergeben sei. Bei der endgültigen Festlegung der Aussonderungsprüffrist soll zudem der Ausgang des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens berücksichtigt
und – sofern dies nicht bekannt ist – bei den Staatsanwaltschaften nachgefragt werden. Treffermeldungen sollen
künftig nicht mehr erfolgen, wenn das Antreffen der als
„Gewalttäter Sport“ ausgeschriebenen Person ganz offensichtlich in keinem Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung steht.

Ich hoffe, dass auf diese Weise eine einheitliche Verarbeitung personenbezogener Daten in der Datei „Gewalttäter
Sport“ durch die Dienststellen der Bundespolizei sichergestellt wird.
5.4

Zollfahndung

5.4.1

Zollfahndungsdienstgesetz – Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur präventiven
Telekommunikationsüberwachung

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum niedersächsischen SOG hat unmittelbare Auswirkung auf das
Zollfahndungsdienstgesetz, in dem die präventiv-polizeiliche Telekommunikationsüberwachung durch Polizeibehörden des Bundes geregelt ist.
Durch Urteil vom 27. Juli 2005 (1 BvR 668/04) hat das
Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die präventive Telekommunikationsüberwachung nach dem niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und
Ordnung (SOG) teilweise gegen Artikel 10 GG verstößt
und damit verfassungswidrig ist. Wenn noch Zweifel bestanden haben sollten, ob die vom Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Urteil vom 3. April 2004 zur akustischen Wohnraumüberwachung (1 BvR 2378/98 – s. u.
Nr. 6.2; 20. TB Nr. 5.1.2) an die Durchführung heimlicher Eingriffsmethoden gestellten Anforderungen auch
auf andere verdeckte Datenerhebungsbefugnisse übertragbar sind, dürften diese mit dem o. a. Urteil zur
präventiven Telekommunikationsüberwachung endgültig
ausgeräumt sein.
Das Gericht bekräftigt in dem jüngsten Urteil die Notwendigkeit, den Kernbereich privater Lebensgestaltung
vor staatlichen Eingriffen absolut zu schützen. Es fordert
den Gesetzgeber erneut auf, im Wege gesetzlicher Regelungen sicherzustellen, dass verdeckte Datenerhebungen
der Sicherheitsbehörden in diesem Kernbereich unterbleiben und dass Informationen – soweit sie unerwartet im
Kernbereich erhoben wurden – gelöscht und Erkenntnisse
daraus nicht verwertet werden dürfen. Ausgehend von der
Prämisse des Gerichts, die durch Artikel 1 Abs. 1 GG
stets garantierte Unantastbarkeit der Menschenwürde erfordere auch im Schutzbereich des Artikel 10 Abs. 1 GG
Vorkehrungen zum Schutz individueller Entfaltung im
Kernbereich privater Lebensgestaltung, muss der Kernbereichsschutz bei allen verdeckten Datenerhebungen der
Sicherheitsbehörden gewährleistet sein. Einen entsprechenden Appell enthält auch die Entschließung der
70. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder vom 27./28. Oktober 2005 (s. Kasten zu
Nr. 5.4.1).
Das Gericht hat zudem die Bedeutung des rechtstaatlichen Gebots der Normenklarheit bei der Ausgestaltung
der Eingriffsbefugnisse zur Straftatenverhütung betont.
Gerade bei Vorfeldermittlungen sei das Risiko einer Fehlprognose bezüglich eines möglichen strafbaren Verhaltens besonders hoch. Zudem verpflichte das Gebot des
effektiven Rechtschutzes die Sicherheitsbehörden, alle

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BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

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