– 60 –
Inhaltliche Ausgestaltung/Rechtsfolgen des Trennungsgebots:
1. Organisationsrechtlich
Organisatorische Trennung von Geheimdiensten und
polizeilichen Dienststellen.
2. Materiell-rechtlich
Wahrung der rechtlichen Grenzen der den Polizeien
und Nachrichtendiensten zugewiesenen spezifischen
Aufgaben und Befugnisse.
3. Informationell
Begrenzung der informationellen Zusammenarbeit
von Polizei und Geheimdiensten, um zu verhindern,
dass die organisatorische Trennung dieser Sicherheitsbehörden durch wechselseitige Unterstützungsund Hilfsmaßnahmen unterlaufen wird.
Dieses Trennungsgebot hat Verfassungsrang. Es ist zudem in mehreren Landesverfassungen explizit verankert.
5.1.1
Gemeinsame-Dateien-Gesetz
Ob das Gemeinsame-Dateien-Gesetz im Einklang mit
dem Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten steht, bleibt verfassungsrechtlich zweifelhaft.
Mit dem vom Deutschen Bundestag am 1. Dezember 2006 verabschiedeten Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz – Bundestagsdrucksache 16/2950) wurden
erstmals die rechtlichen Grundlagen für die Errichtung einer gemeinsamen Antiterrordatei sowie anlassbezogener
gemeinsamer Projektdateien von Polizeibehörden und
Nachrichtendiensten geschaffen. Eine informationelle Kooperation dieser Art war bisher nicht zulässig. Meine verfassungs- und datenschutzrechtlichen Bedenken, insbesondere zur Gestaltung einer gemeinsamen Antiterrordatei
beim Bundeskriminalamt, wurden in dem Gesetzgebungsverfahren im Wesentlichen nicht ausgeräumt.
Mit der Antiterrordatei wird ein im Online-Verbund nutzbarer Datenbestand geschaffen, in dem die Erkenntnisse
von Polizeien und Nachrichtendiensten im Bereich der
Terrorismusbekämpfung zusammengeführt werden (vgl.
Artikel 1 des Gemeinsame-Dateien-Gesetzes: „Gesetz
zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des
Bundes und der Länder (Antiterrordateigesetz –
ATDG)“). Erfasst werden bei den Polizeien und Nachrichtendiensten vorhandene – auch vage – Informationen
zu Ziel- und Randpersonen (mutmaßlichen Unterstützern,
Kontaktpersonen etc.) aus dem Bereich des internationalen Terrorismus und des ihn unterstützenden Extremismus mit Bezug zum Inland.
Ich verkenne nicht die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, mit der der Gesetzentwurf begründet
wird. In ihrer Entschließung zur Antiterrordatei vom
27. Oktober 2006 hat die 72. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder dies zum Ausdruck gebracht und zugleich betont, dass jede Intensivierung der informationellen Zusammenarbeit zwischen
Polizeibehörden und Nachrichtendiensten den verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Recht auf
informationelle Selbstbestimmung, dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und dem – in einigen Landesverfassungen ausdrücklich genannten – Trennungsgebot von
Polizei und Nachrichtendiensten (vgl. Nr. 5.1) entsprechen müsse (s. Kasten a zu Nr. 5.1.1).
K a s t e n a z u N r. 5 . 1 . 1
Entschließung der 72. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 26. bis 27. Oktober 2006 in Naumburg
Verfassungsrechtliche Grundsätze bei Antiterrordatei-Gesetz beachten
Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz, Bundestagsdrucksache 16/2950) – verschärft durch
Forderungen aus dem Bundesrat – sollen in der Bundesrepublik Deutschland erstmals die rechtlichen Grundlagen
für die Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten geschaffen werden. Von besonderer Bedeutung ist die beim Bundeskriminalamt zur Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus einzurichtende Antiterrordatei, in welcher umfangreiches Datenmaterial der beteiligten Sicherheitsbehörden zusammengeführt werden soll.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder verkennt nicht die zur Begründung des Gesetzentwurfs geltend gemachte hohe Bedrohung durch den internationalen Terrorismus und die Notwendigkeit zur
Optimierung des Informationsaustauschs. Jede Intensivierung der informationellen Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten muss jedoch den verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Recht
auf informationelle Selbstbestimmung, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem – in einigen Landesverfassungen ausdrücklich genannten – Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten entsprechen. Der vorliegende Entwurf zur Antiterrordatei enthält schwerwiegende verfassungs- und datenschutzrechtliche Risiken.
Insbesondere den folgenden brisanten Aspekten wird im Rahmen der anstehenden parlamentarischen Beratungen
besondere Beachtung zu schenken sein:
R
ev
i
s
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006