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– Die Anti-Terror-Datei sieht gravierende Erweiterungen des Datenaustauschs vor. Deshalb ist zumindest eine weitergehende Präzisierung der zu erfassenden Personen erforderlich. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen,
dass die Nachrichtendienste in der Antiterrordatei auch Personen erfassen, bei denen nur auf weichen Informationen beruhende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zuordnung zum internationalen Terrorismus bestehen. Diese
Anhaltspunkte können auf legalem Verhalten beruhen, mit der Folge, dass auch unbescholtene Personen in der
Antiterrordatei erfasst werden und deren Daten allen zugriffsberechtigten Behörden zur Verfügung stehen. Dass
im Bereich der Vorfeldermittlungen ein besonders hohes Risiko einer Fehlprognose besteht, ist auch bereits verfassungsgerichtlich festgestellt.
– Die Definition der in der Datei zu erfassenden sog. Kontaktpersonen muss präzisiert werden und der Kreis der
Betroffenen ist einzuschränken. Dies gilt insbesondere für solche Kontaktpersonen, gegen die keinerlei belastende Erkenntnisse vorliegen. Es muss sichergestellt werden, dass nicht bereits unverdächtige soziale Kontakte
zu einer Erfassung von Personen aus dem Umfeld Verdächtigter führen.
– Die Aufnahme besonderer Bemerkungen, ergänzender Hinweise und Bewertungen in Freitextform eröffnet den
am Verbund teilnehmenden Behörden die Möglichkeit, eine Vielzahl, auch weicher personenbezogener Informationen (z. B. nicht überprüfte Hinweise oder Vermutungen) ohne Bindung an hinreichend konkrete Festlegungen
des Gesetzgebers in der Datei zu erfassen. Deshalb sollte darauf verzichtet werden.
– In diesem Zusammenhang ist auch der Zugriff von Polizeibehörden auf Vorfelderkenntnisse der Nachrichtendienste im Hinblick auf das Trennungsgebot kritisch zu hinterfragen. Besonders bedenklich erscheint dabei die
Zulassung von Ausnahmen vom verfassungsrechtlichen Trennungsgebot in den sog. Eilfällen, in welchen den
beteiligten Behörden ein unmittelbarer Online-Zugriff auf alle Daten gestattet wird.
– Die zugriffsberechtigten Sicherheitsbehörden sind nicht klar genug bezeichnet. Aufgrund der Speicherung auch
höchst sensibler personenbezogener Vorfelddaten muss der Gesetzgeber aus rechtsstaatlichen Gründen selbst
festlegen, welche Stellen zugriffsberechtigt sein sollen.
– Im Übrigen sind auch die bereits jetzt erkennbaren Tendenzen zu einer Erweiterung der Antiterrordatei über die
Terrorismusbekämpfung hinaus nicht akzeptabel. Dies gilt insbesondere für die im Gesetzentwurf vorgesehene
Nutzung der Datei im Rahmen der Strafverfolgung. Es darf nicht zu einer immer niedrigeren Eingriffsschwelle
kommen.

In den gesetzlich definierten Eilfällen sind aber auch die
erweiterten Grunddaten für jede anfragende Behörde sofort und ohne Zustimmung der für diese Daten verantwortlichen Stelle sichtbar und dürfen für weitere Zwecke
– beispielsweise zur Einleitung operativer Maßnahmen
gegen einen Betroffenen – verwendet werden. In derartigen Fällen kann die Polizei – u. U. ausschließlich gestützt
auf weiche, d. h. gänzlich ungesicherte, Erkenntnisse der
Nachrichtendienste – polizeiliche (Zwangs-)Maßnahmen
gegen einen Betroffenen ergreifen. Dies kann auch voll-

Für die Nachrichtendienste resultieren hieraus, insbesondere bei der Erfassung sog. Kontakt- und Begleitpersonen, erhebliche Probleme, zulässige von unzulässigen
Datenspeicherungen abzugrenzen. So ist es schwierig,
Kontaktpersonen, d.h. Personen im Umfeld bzw. Randbereich einer Zielperson, von Personen abzugrenzen, die
mit einer Zielperson nur in einem sozial üblichen, d. h.
z. B. beruflichen, familiären, freundschaftlichen oder nur
gelegentlichen oder flüchtigen Kontakt stehen (Freunde,
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

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Entgegen meinem Petitum (vgl. 20. TB Nr. 5.1.1) ist die
Antiterrordatei keine reine Indexdatei zum leichteren
Auffinden von Aktenfundstellen. Die beteiligten Stellen
haben neben Grunddaten auch sog. erweiterte Grunddaten zu speichern (s. Kasten b zu Nr. 5.1.1). Bei jeder Anfrage erfolgt eine Recherche in den Grunddaten und erweiterten Grunddaten. Allerdings sind die erweiterten
Grunddaten für die anfragende Behörde grundsätzlich
nicht sofort sichtbar. Erst auf Nachfrage werden sie von
der speichernden Stelle nach den für sie geltenden
Rechtsvorschriften übermittelt.

kommen unbescholtene Personen treffen, weil die Geheimdienste bereits weit im Vorfeld der Gefahrenabwehr
tätig werden. Aufgrund ihrer spezifischen gesetzlichen
Aufgaben- und Befugniszuweisung dürfen die Dienste
auch Daten von sich rechtmäßig verhaltenden, unbescholtenen Personen erfassen, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für eine vermeintliche Zuordnung dieser Personen
etwa zum Umfeld des internationalen Terrorismus bestehen. Für das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte genügen bereits in gewissem Umfang verdichtete Umstände
als Tatsachenbasis. Diese Umstände können mehrdeutig
sein; sie können bei weiterer Entwicklung in eine Gefahrenlage münden, aber auch Teil eines – auch zukünftig –
vollkommen legalen Verhaltens eines Betroffenen sein.
Diese hohe Unsicherheit in Bezug auf die Bedeutung einzelner Verhaltsumstände im Vorfeldbereich hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom
27. Juli 2005 zum niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (vgl. 1 BvR 668/04,
Rdn. 121) betont.

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In Bezug auf die Antiterrordatei bleiben schwerwiegende
verfassungs- und datenschutzrechtliche Risiken, insbesondere für diejenigen Regelungen, die erst im Nachgang
zum Beschluss der Sonderkonferenz der Innenminister
des Bundes und der Länder (IMK) vom 4. September 2006 in den Gesetzentwurf aufgenommen worden
sind.

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