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Ausbruch einer Krankheit Vorhersagen über deren Eintrittswahrscheinlichkeit, selbst wenn dem Betroffenen
seine Anfälligkeit für diese Krankheit nicht bekannt ist.
Auch lassen Genanalysen Rückschlüsse auf die medizinische Konstellation von Blutsverwandten zu, ohne dass
diese an dem Verfahren beteiligt sind. Die vorhandenen
rechtlichen Rahmenbedingungen werden der Sensibilität
und Komplexität dieser Materie nicht mehr gerecht. Obwohl der Deutsche Bundestag die Verabschiedung eines
Gendiagnostikgesetzes angemahnt hat (Bundestagsdrucksache 15/4597), vgl. auch 20. TB Nr. 2.6, liegt noch
nicht einmal ein Referentenentwurf vor.

Stichprobenkontrollen bestätigt. Nur die Berufsgenossenschaft Druck und Papierverarbeitung hält einen Hinweis
auf das Gutachtervorschlagsrecht in den Vordrucken für
nicht angebracht, da dieses Recht gesetzlich nicht normiert sei. Ich bedaure diese Praxis der Berufsgenossenschaft, weil deren Versicherte so von ihrem Recht nichts
erfahren, das die übrigen Berufsgenossenschaften anerkennen. Vor dem Hintergrund, dass auch gerichtliche Entscheidungen ein Gutachtervorschlagsrecht der Versicherten mangels expliziter gesetzlicher Erwähnung nicht
sehen, habe ich davon abgesehen, die Verfahrensweise
der Berufsgenossenschaft zu beanstanden.

Einen wichtigen Beitrag zur Problematik hat im August
2005 der Nationale Ethikrat durch die Veröffentlichung
seiner Stellungnahme „Prädiktive Gesundheitsinformationen bei Einstellungsuntersuchungen“ geleistet. Die darin enthaltene Empfehlung für einen restriktiven Umgang
mit Gentests verdeutlicht, dass der Umgang mit Gentests
einer klaren normativen Grundlage bedarf. Im Vordergrund muss dabei die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen stehen. Genetische Untersuchungen sollen grundsätzlich nur durchgeführt werden, wenn
die betroffene Person nach umfassender Aufklärung über
Zweck und mögliche Konsequenzen in eine solche Untersuchung eingewilligt hat. Zur informationellen Selbstbestimmung gehört auch die Gewährleistung des Rechts auf
Nichtwissen. Heimliche Gentests müssen ebenso verhindert werden wie die missbräuchliche Nutzung genetischer
Erkenntnisse im Arbeitsleben und im Versicherungsverhältnis. Ich befürworte ein grundsätzliches Verbot, Gentests als Voraussetzung für Einstellungen oder den
Abschluss von Versicherungsverträgen zu fordern. Zuwiderhandlungen gegen grundlegende Vorschriften der Regelung, insbesondere bei heimlichen Gentests ohne Einwilligung der betroffenen Person, müssen entsprechend
der Schwere des Verstoßes durch Straf- oder Bußgeldbestimmungen sanktioniert werden.

In der Praxis üben die Versicherten ihr Gutachtervorschlagsrecht überwiegend nicht aus. Hatten die Versicherten selbst einen Gutachter vorgeschlagen, war dieser nur
in Einzelfällen von den Berufsgenossenschaften mit einer
zu pauschalen Begründung abgelehnt worden. Insoweit
habe ich stets darauf hingewiesen, dass die Berufsgenossenschaften die Ablehnung eines vorgeschlagenen Gutachters gegenüber dem Versicherten in dem konkreten
Einzelfall nachvollziehbar zu begründen haben.

Ich halte die Schaffung eines Gendiagnostikgesetzes für
eines der dringendsten datenschutzrechtlichen Vorhaben
und hoffe, dass es in dieser Legislaturperiode endlich beschlossen wird.
13.3

Unfallversicherung

13.3.1 Gutachterregelung
Mit einer Ausnahme weisen alle Berufsgenossenschaften
die Versicherten auf das eigene Gutachtervorschlagsrecht
hin. Insgesamt ist dieses in einer Selbstverpflichtung
durchgeführte Verfahren der Berufsgenossenschaft als
positiv zu bewerten.
Gutachtervorschlagsrecht/Erfahrungen mit der
„Selbstverpflichtung“
Alle Berufsgenossenschaften erkennen im Wege der
„Selbstverpflichtung“ das Recht der Versicherten an,
selbst einen Gutachter vorschlagen zu können (vgl.
20. TB Nr. 19.1.1). Die Unfallversicherungsträger verwenden nunmehr Vordrucke, in denen die Versicherten
auf dieses Recht hingewiesen werden. Dies haben meine

Insgesamt sind die Ergebnisse aufgrund der von den Berufsgenossenschaften getroffenen Selbstverpflichtung jedoch als positiv zu bewerten, und ich bin zuversichtlich,
dass die positiven Erfahrungen, die auch die Berufsgenossenschaften mit dem eigenen Gutachtervorschlagsrecht der Versicherten gemacht haben, zu einer großzügigen Gewährung dieses Rechts führen werden.
Beratender Arzt
Obwohl sich die gemeinsam vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, dem BVA und mir
entwickelten Kriterien zur Abgrenzung zwischen der Tätigkeit eines beratenden Arztes und eines Gutachters in
der Praxis der Berufsgenossenschaften bewährt haben
(vgl. 20. TB Nr. 19.1), ist die Anwendbarkeit der Gutachterregelung bei der Einschaltung eines beratenden Arztes
in dem Verfahren wieder in die Diskussion geraten. Das
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat – unter
Rückgriff auf die vor Einführung des § 200
Abs. 2 SGB VII übliche Rechtsprechung – den beratenden Arzt als Teil der Verwaltungsbehörde bewertet und
damit eine Übermittlung von Gesundheitsdaten der Versicherten an einen Dritten abgelehnt. Aus diesem Grund
würde die Gutachterregelung keine Anwendung finden,
wenn ein beratender Arzt ein Gutachten erstattet. In einer
Vielzahl von Einzelfällen haben sich die Berufsgenossenschaften auf diese Rechtsprechung berufen, wenn ein
Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII festgestellt worden
war.
Nach dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 SGB VII sind den
Versicherten die genannten Rechte „vor Erteilung eines
Gutachtenauftrages“ zu gewähren. Damit knüpft die Regelung erkennbar an ein inhaltliches Gutachten an, unabhängig davon, ob es ein beratender Arzt oder ein externer
Gutachter erstattet. Auch die Absicht des Gesetzgebers,
die Mitwirkungsrechte der Versicherten zu stärken und
die Verfahrenstransparenz zu erhöhen, ist nur dann zu erreichen, wenn sich die Gutachterregelung auch auf die
Gutachten eines beratenden Arztes erstreckt.

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BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

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