Drucksache 14/8312
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sich die Maßnahme gegen den einzelnen Verdächtigen
und ggf. gegen Umfeldpersonen richtet, wird sie als Beschränkung im Einzelfall oder auch als Individualkontrolle bezeichnet. Die Voraussetzungen sind in § 3 G 10
(bisher § 2 G 10) geregelt. Danach setzt eine Beschränkung der Grundrechte des Einzelnen zusätzlich voraus,
dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass diese Person eine der in der Vorschrift aufgeführten „Katalogstraftaten“ plant, begeht oder begangen
hat. Mit der Neuregelung des G 10 wurde dieser Katalog
um die Tatbestände der Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) und einige der in § 129a StGB enthaltenen Delikte erweitert. Im Einzelnen werden nunmehr
folgende Straftaten aufgeführt:
(1) Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats
(§§ 80 bis 83 StGB),
(2) Straftaten der Gefährdung des demokratischen
Rechtsstaates (§§ 84 bis 86, 87 bis 89 StGB, § 20
Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes),
(3) Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der
äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 96, 97a bis 100a
StGB),
(4) Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109e
bis 109g StGB),
(5) Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantik-Vertrages (§§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g
StGB in Verbindung mit Artikel 7 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. Juni 1957 in der
Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1968 [BGBl. I
S. 741]),
(6a) Straftaten nach den §§ 129 a und 130 StGB
(6b) Straftaten nach den §§ 211, 212, 239a, 239b, 306 bis
306c, 308 Abs. 1 bis 3, § 315 Abs. 3, § 316b Abs. 3
und § 316c Abs. 1 und 3 StGB, soweit diese sich gegen die freiheitliche Grundordnung, den Bestand
oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes
richten, oder
(7) Straftaten nach § 92 Abs. 1 Nr. 7 des Ausländergesetzes.
Gleiches gilt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den
Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.
Ein Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 10 GG ist nach
§ 3 Abs. 2 G 10 aber nur zulässig, wenn die Erforschung
des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich nur gegen den Verdächtigen oder gegen Personen richten, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für
den Verdächtigen bestimmte oder von ihm herrührende
Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder
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dass der Verdächtige ihren Anschluss benutzt (Umfeldperson).
Im Berichtszeitraum sind nur vom Bundesamt für Verfassungsschutz beantragte und genehmigte G 10-Maßnahmen durchgeführt worden. Seitens des MAD und des
BND sind Maßnahmen weder beantragt noch solche aus
dem Vorberichtszeitraum stammende weitergeführt worden. Die Anzahl der Verfahren lag im Berichtszeitraum
insgesamt zwischen 39 und 46 Verfahren. Die Anzahl der
betroffenen Personen, auf die sich die Maßnahme im
Sinne des § 2 Abs. 1 G 10 a. F. erstreckte, schwankte zwischen 230 und 247. Die Schwankungen der Zahlenangaben ergeben sich dadurch, dass die Anordnungen jeweils
auf höchstens drei Monate befristet sind. Sie können auf
Antrag – soweit die Voraussetzungen der Anordnungen
fortbestehen – um jeweils nicht mehr als drei Monate verlängert werden. Die Anordnungen stützten sich im Wesentlichen auf die §§ 2 Abs. 1 Nr. 2 (Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates) und Nr. 3 (Straftaten des
Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit)
G 10 a. F. Sie betrafen die Bereiche rechts- und linksextremistischer Bestrebungen ebenso wie sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern sowie Spionage und sonstige nachrichtendienstliche
Aktivitäten.
Im Berichtszeitraum sind Entscheidungen über die Mitteilung an Betroffene in 27 Anordnungsverfahren getroffen
worden. Bei 10 Personen verlief die Prüfung positiv, d. h.
den Personen wurde die Durchführung der G 10 Überwachung mitgeteilt. In den übrigen Fällen hat die Überprüfung ergeben, dass die in § 5 Abs. 5 Satz 1 G 10 a. F. genannten Voraussetzungen für eine Mitteilung, nämlich
Ausschluss einer Gefährdung des Zwecks der Beschränkungsmaßnahme, nicht gegeben waren. Die Entscheidungen wurden daher zunächst bzw. erneut zurückgestellt.
Im Berichtszeitraum sind bei der G 10-Kommission insgesamt 10 Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern
eingegangen, die eine mutmaßliche Überwachungsmaßnahme eines Nachrichtendienstes vermuteten. In sämtlichen Fällen konnte die G 10-Kommission aber feststellen,
dass eine Verletzung ihrer Rechte nach Artikel 10 GG
durch Maßnahmen nach Vorschriften des G 10 nicht gegeben war.
2. Strategische Kontrollen nach
§ 5 G 10 (§ 3 G 10 a. F.)
Strategische Kontrolle bedeutet, dass nicht die Post- und
Fernmeldeverkehrsbeziehungen einer bestimmten Person, sondern Kommunikationswege insgesamt kontrolliert werden. Aus einer großen Menge verschiedenster
Sachverhalte werden einzelne ausgewertet, die sich hierfür aufgrund spezifischer Merkmale qualifizieren.
Nach § 5 Abs. 1 G 10 (bisher § 3 Abs. 1 G 10) dürfen auf
Antrag des BND Beschränkungen nach § 1 G 10 für internationale Telekommunikationsbeziehungen angeordnet werden, soweit eine gebündelte Übertragung erfolgt.
Die bisherige Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 G 10 a. F. be-