Daher verletze eine Überwachung der Telekommunikation bei Ärzten und Anwälten
den Kernbereich privater Lebensgestaltung ihrer Patienten oder Mandanten.
2. Die Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 422/08 - Rechtsanwälte, Abgeordnete, ein Student und eine Publizistin - sehen sich durch die angegriffenen Vorschriften
schon deswegen in ihren Grundrechten unmittelbar und direkt berührt, weil sie privat,
freiberuflich oder in ihrer politischen Tätigkeit Festnetzanschlüsse, Mobiltelefone, Internetzugänge und E-Mail-Postfächer nutzen müssten. Sie hätten damit zu rechnen,
dass auf ihre Daten zugegriffen werde, ohne nach den im Gesetz vorgesehenen Regeln von einer sicheren nachträglichen Benachrichtigung ausgehen zu können.
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a) Die Beschwerdeführer sehen in § 100a Abs. 4 Satz 1 und § 100f Abs. 1 und 2
StPO einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 10 GG, weil die angegriffenen Vorschriften den Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht ausreichend schützten.
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Indem der Gesetzgeber gemäß § 100a Abs. 4 Satz 1 StPO eine Überwachung der
Telekommunikation nur dann für unzulässig ansehe, wenn sie „allein Erkenntnisse
aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung“ erbringe, stelle er eine Voraussetzung auf, von der er wisse, dass sie nie eintreten werde. Ferner enthalte das Gesetz
keine Regelung zu einem Verfahren zum Schutz des Kernbereichs. Offenbar solle
die ermittelnde Behörde selbst entscheiden, ob die Verwertung der erlangten Erkenntnisse nach § 100a Abs. 4 StPO zulässig sei oder nicht. Es bestehe damit die
Gefahr, dass die unter einem Verwertungsverbot stehenden und alsbald zu löschenden Erkenntnisse als Ermittlungsansätze genutzt würden.
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Des Weiteren rügen die Beschwerdeführer, dass der Schutz des Kernbereichs der
privaten Lebensgestaltung bei den in § 100f Abs. 1 und 2 StPO genannten heimlichen Ermittlungsmaßnahmen keinerlei Erwähnung finde.
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b) Darüber hinaus verstößt nach Ansicht der Beschwerdeführer die Neuregelung
der Benachrichtigung der von einer heimlichen Ermittlungsmaßnahme Betroffenen in
§ 101 Abs. 4 Sätze 3 bis 5, Abs. 5 und 6 StPO gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 sowie gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Von der Erfüllung der Benachrichtigungspflicht hingen für die von den heimlichen Ermittlungen betroffenen Personen alle Möglichkeiten eines wirksamen Rechtsschutzes ab. Wenn die Betroffenen von einer Maßnahme nichts erführen, könnten sie auch nicht überprüfen lassen, ob dabei
ihre Grundrechte in angemessener Weise gewahrt worden seien.
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aa) Nach § 101 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 StPO könne die Benachrichtigung dauerhaft
unterbleiben, ohne dass die von den Ermittlungsbehörden hierzu getroffene Ermessensentscheidung einer gerichtlichen Kontrolle unterläge. Denn eine gerichtliche
Kontrolle sei nach dem eindeutigen Wortlaut des § 101 Abs. 6 StPO und nach der
Gesetzesbegründung nur in den Fällen der Zurückstellung nach § 101 Abs. 5 StPO
vorgesehen. Die von den Ermittlungsbehörden zu treffenden Entscheidungen nach
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