Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
IV.
– 439 –
Drucksache 18/12850
Aufhebung der Verwaltungsabkommen zum Artikel 10-Gesetz aus dem Jahr 1968 mit
den USA und Großbritannien
Aufgrund des Besatzungsrechts, das sich die Westalliierten USA, Vereinigtes Königreich und Frankreich
vorbehalten hatten, hatten diese die Möglichkeit, zum Schutz der Sicherheit ihrer in der Bundesrepublik
Deutschland stationierten Streitkräfte eine Post- und Fernmeldeüberwachung vorzunehmen. Die Möglichkeit
dieser Art von Überwachung auf dieser Rechtsgrundlage entfiel mit dem Inkrafttreten des Artikel 10-Gesetzes im Jahr 1968, da ab diesem Zeitpunkt die Schutzaufgaben durch deutsche Behörden aufgrund der deutschen Gesetze vorgenommen wurden.1774 Daraufhin wurden zwischen den Westalliierten und dem Auswärtigen Amt Verbalnoten ausgetauscht, in denen darauf Bezug genommen wurde, dass Bundeskanzler Konrad
Adenauer mit Schreiben vom 23. Oktober 1954 das Selbstverteidigungsrecht der Alliierten bekräftigt
hatte.1775 In Ausgestaltung dieser Verbalnoten wurden in den Jahren 1968 und 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland auf der einen und den USA, dem Vereinigten Königreich sowie Frankreich auf der anderen Seite Verwaltungsvereinbarungen geschlossen.1776 Danach waren die Alliierten unter gewissen Voraussetzungen befugt, deutsche Nachrichtendienste um Überwachungen des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs in Deutschland zu ersuchen.1777 Der Text der Vereinbarung mit den USA war ursprünglich VS-VERTRAULICH eingestuft und wurde im Spätsommer 2013 deklassifiziert.1778 Die Verwaltungsvereinbarung
mit dem Vereinigten Königreich war bereits seit 2012 offengelegt.1779
Nach den Snowden-Enthüllungen wurde in der Presseberichterstattung zum Teil vermutet, dass die Bundesregierung schon aus diesem Grunde von US-amerikanischen „Ausspähaktionen“ hätte Kenntnis haben müssen.1780 Die Bundesregierung erklärte in diesem Zusammenhang jedoch, dass von den in den Vereinbarungen
eingeräumten Rechten seit der Wiedervereinigung nicht mehr Gebrauch gemacht worden sei.1781 Zudem war
bereits in einer Vorlage für den Bundesaußenminister vom 21. November 2012 festgehalten worden, dass die
Verwaltungsvereinbarungen die USA, Großbritannien und Frankreich nicht ermächtigten, „das Post- und
Fernmeldegesetz verletzende Maßnahmen in Eigenregie vorzunehmen“.1782 Der Sachverständige
Prof. Dr. Stefan Talmon stellte in seinem vom Ausschuss erbetenen Gutachten ebenfalls fest, dass die Vereinbarungen „für die Spionageaktivitäten der NSA in Deutschland […] ohne Bedeutung“ gewesen seien.1783
Er zog daraus die Schlussfolgerung:
1774)
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1781)
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1783)
Vorlage für die Bundeskanzlerin vom 10. Juli 2013, MAT A BK-1/3a_6, Bl. 129.
Vermerk vom 24. Juli 2013, MAT A AA-3/3a, Bl. 510; Vorlage für die Bundeskanzlerin vom 10. Juli 2013, MAT A BK-1/3a_6,
Bl. 129.
Vorlage für die Bundeskanzlerin vom 10. Juli 2013, MAT A BK-1/3a_6, Bl. 129 (130).
Vorlage für die Bundeskanzlerin vom 10. Juli 2013, MAT A BK-1/3a_6, Bl. 130; schriftliches Gutachten des Sachverständigen
Aust vom 27. Mai 2014, MAT A SV-4/1, Bl. 19.
E-Mail vom 30. Juli 2013, MAT A AA-3/1e_1, Bl. 27; E-Mail vom 17. September 2013, MAT A AA-3/1e_1, Bl. 90.
Entwurf Unterrichtungsvorlage vom 29. Juli 2013, MAT A AA-3/3d, Bl. 127; E-Mail vom 30. Juli 2013, MAT A AA-3/1e_1,
Bl. 27.
So z. B. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 7. Juli 2013 „Amerika darf Deutsche abhören“; Der Tagesspiegel vom 9. Juli
2013 „Unter Schnüfflern“; Frankfurter Rundschau vom 9. Juli 2013 „Bundesregierung liefert bisher keine Aufklärung im SpionageSkandal“.
Antwort der Bundesregierung vom 14. August 2013 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der SPD, BT-Drs. 17/14560, Bl. 11;
Vermerk für PKGr am 25. Juli 2013, MAT A AA-3/3s, Bl. 86 (88) (VS-NfD - insoweit offen).
Vorlage für den Bundesaußenminister vom 21. November 2012, MAT A AA-5, Bl. 19; Vorlage für die Bundeskanzlerin vom
10. Juli 2013, MAT A BK-1/3a_6, Bl. 129 (130); vgl. dazu auch Vermerk für PKGr am 25. Juli 2013, MAT A AA-3/3s, Bl. 86 (88)
(VS-NfD - insoweit offen).
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Talmon vom 2. Juni 2014, MAT A SV-4/2, Bl. 25.