Drucksache 18/12850
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
wurden nicht systematisch beobachtet, sondern es wurde reagiert, wenn Umstände bekannt geworden waren, die auf eine nicht genehmigte nachrichtendienstliche Tätigkeit
hindeuteten.“1673
Diese Schwerpunktsetzung hat der Bundesminister des Innern Dr. Thomas de Maizière in seiner Zeugenvernehmung bestätigt:
„Zum anderen hat für unsere Spionageabwehr die Beobachtung von gegnerischen
Nachrichtendiensten selbstverständlich eindeutig Priorität. Das war damals so und ist
auch heute weiterhin so.“1674
Nach welchen Kriterien die Schwerpunkte gesetzt wurden, hat der Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit (ÖS) im BMI Stefan Kaller erläutert:
„Also, die Schwerpunktsetzungen bezogen sich im Grunde genommen immer auf zwei
Angriffsrichtungen. Die eine Angriffsrichtung war die Ausforschung der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf politische, militärische, wirtschaftliche, auch kulturelle
Angelegenheiten, um Ländern wie China und Russland ein möglichst breites und tiefes
Bild unserer Verhältnisse hier zu geben. Diese Länder hatten und haben schlicht ein
auch erklärtes strategisches Interesse daran, über unsere Verhältnisse in allen Bereichen möglichst viel zu wissen, und das eben auch mit illegalen Methoden.
Der andere Ansatz der Spionageabwehr bezog sich und bezieht sich dann auf solche
Länder, deren Oppositionspolitiker teilweise in Deutschland leben, hier oftmals Asyl
haben, und deren Heimatländer nunmehr daran interessiert sind, die sogenannten Oppositionellen, die in Deutschland sind und leben und vielleicht auch politisch agieren,
zu kontrollieren.
Also, es gab zwei Richtungen: das eine, sagen wir mal, der wirtschaftliche, wissenschaftliche, kulturelle, politische Teil und der andere die Beobachtung der Opposition.
Beides ist selbstverständlich nicht erlaubt. Beides wird selbstverständlich von der
deutschen Spionageabwehr intensiv untersucht. Eine Vorgabe, bestimmte Länder in
den Fokus zu nehmen oder bestimmte Länder eben nicht in den Fokus zu nehmen, gab
es nicht und gibt es auch nicht.“1675
Die Aktivitäten der damit angesprochenen Staaten, bei denen diese Kriterien erfüllt waren, wurden nach
Aussagen des Zeugen Heinz Fromm daher nicht nur anlassbezogen, sondern kontinuierlich beobachtet:
„In einer Reihe anderer Fälle, in denen nicht nur erfahrungsgemäß, sondern wegen
entsprechender Vorgaben seitens der jeweiligen Regierungen mit Spionage gegen und
in Deutschland zu rechnen war, war eine kontinuierliche Bearbeitung notwendig. Die
1673)
1674)
1675)
Fromm, Protokoll-Nr. 102 I, S. 5 f.
Dr. de Maizière, Protokoll-Nr. 55 I, S. 96.
Kaller, Protokoll-Nr. 106 I, S. 9.