Drucksache 18/12850

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

weiteren Verarbeitung und Übermittlung von Daten kann nach der Rechtsprechung des EGMR ein Eingriff
in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK liegen, da solche Maßnahmen die Grundlage für weiteres
staatliches Handeln gegenüber den Betroffenen sein können.930
Die Rechtfertigung eines Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK setzt nach der Rechtsprechung
des EGMR voraus, dass das eingreifende Gesetz für die betroffenen Personen zugänglich ist und diese vorhersehen können, welche Folgen das Gesetz für sie hat.931 Da Überwachungsmaßnahmen allerdings ihrer
Natur nach geheimhaltungsbedürftig sind, hat der EGMR in diesem Zusammenhang Mindeststandards bezeichnet, die eingehalten werden müssen, um eine willkürliche Ausdehnung von Überwachungsmaßnahmen
zu verhindern.932 So müssen die gesetzlichen Regelungen diejenigen Straftaten aufführen, zu deren Bekämpfung strategische Überwachungsmaßnahmen angeordnet werden dürfen; nicht erforderlich ist dabei, dass
jeder einzelne Straftatbestand explizit Erwähnung findet.933 Des Weiteren muss die Personengruppe, deren
Kommunikation überwacht werden darf, gesetzlich bestimmt werden. Darüber hinaus muss die Dauer der
Abhörmaßnahme gesetzlich begrenzt sein. Schließlich muss das Verfahren der Auswertung, Verwendung
und Speicherung der Daten nebst der Umstände, unter denen die erlangten Daten wieder zu löschen sind,
gesetzlich geregelt sein.934
Hinsichtlich der Frage, ob ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft notwendig zur Erreichung eines der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele ist, erkennt der EGMR
grundsätzlich die Existenzberechtigung von Geheimdiensten an.935 Ermächtigungen zu einer geheimen Überwachung sind nach seiner Rechtsprechung aber nur insoweit zu tolerieren, als eine solche unbedingt notwendig ist, um die demokratischen Institutionen des Staates zu schützen.936 Dabei lässt der EGMR grundsätzlich
auch Maßnahmen der strategischen Überwachung zu, wenn und soweit „angemessene und wirksame Garantien gegen Missbrauch“ vorgesehen sind.937
Wie beim IPBPR [siehe dazu A.II.1a)bb)] stellt sich auch bei der EMRK die Frage nach ihrer Anwendbarkeit
auf extraterritoriale Handlungen. Art. 1 EMRK beschreibt den Anwendungsbereich der EMRK wie folgt:
„Die Hohen Vertragsparteien sichern allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I bestimmten Rechte und Freiheiten zu.“
Wie der Sachverständige Dr. Helmut Philipp Aust ausgeführt hat, unterfällt es danach unzweifelhaft der
EMRK, wenn ein Vertragsstaat auf seinem eigenen Staatsgebiet auf Internet- und Telekommunikationsdaten
zugreift.938 Aber auch insoweit, als auf fremdem Staatsgebiet personenbezogene Daten erhoben und weiterverarbeitet werden, spricht nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Aust – trotz der stark einzel-

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Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Aust, MAT A SV-4/1, S. 7 m. N.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Aust, MAT A SV-4/1, S. 7 m. N.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Aust, MAT A SV-4/1, S. 7 m. N.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Aust, MAT A SV-4/1, S. 7 m. N.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Aust, MAT A SV-4/1, S. 8 m. N.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Aust, MAT A SV-4/1, S. 8 m. N.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Aust, MAT A SV-4/1, S. 8 m. N.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Aust, MAT A SV-4/1, S. 8 m. N.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Aust, MAT A SV-4/1, S. 10.

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