Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 243 –
Drucksache 18/12850
Nach einer Entscheidung des United States Supreme Court aus dem Jahr 1967 („Katz v. United States“) 757
setzt eine im Sinne des Vierten Verfassungszusatzes unzulässige Durchsuchung voraus, dass die betreffende
Person die Erwartung an den Tag gelegt hat, dass bestimmte Umstände privat bleiben würden (expectation
of privacy), und dass die Gesellschaft bereit ist, diese Erwartung als vernünftig (reasonable) anzusehen.758
Beides verneinte der United States Supreme Court in einer wegweisenden Entscheidung aus dem Jahr 1979
(„Smith v. Maryland“)759. In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatten die Strafverfolgungsbehörden mit Hilfe eines bei einem Telefonunternehmen installierten elektronischen Geräts (pen register)
aufgezeichnet, welche Telefonnummern von dem Telefonanschluss des – einer Straftat verdächtigten – Klägers aus angewählt wurden. Der Gerichtshof führte aus, es sei bereits zweifelhaft, ob Menschen im Allgemeinen erwarteten, dass die von ihnen gewählten Telefonnummern privat bleiben. Denn es sei bekannt, dass
Telefongesellschaften diese Daten – schon zum Zweck der Abrechnung, der Betrugserkennung und der Prüfung auf Gesetzesverstöße – aufzeichneten. Jedenfalls aber könne eine solche Erwartung nicht als vernünftig
angesehen werden. Denn die Gesellschaft akzeptiere, dass die von einem bestimmten Telefon aus angewählten Nummern – zumindest zum Zweck der Abrechnung – mit elektronischen Mitteln aufgezeichnet und katalogisiert werden.760
Vor diesem Hintergrund vertrat die US-Präsidialverwaltung unter US-Präsident Barack Obama den Standpunkt, die Operationen der NSA verstießen nicht gegen den Vierten Verfassungszusatz, da dieser keinen
Schutz in Bezug auf Daten biete, die Dritten – wie Internet- und sonstige Telekommunikationsdienstleistern
– zugänglich gemacht worden seien.761
bbb) Anwendbarkeit des Vierten Verfassungszusatzes bei Auslandsbezug
Ob der Vierte Verfassungszusatz auf Ausländer bzw. auf Maßnahmen außerhalb des US-amerikanischen
Territoriums Anwendung findet, ist in der US-amerikanischen Verfassung nicht ausdrücklich geregelt.762
Nach Auffassung des Sachverständigen Miller spricht die Judikatur des United States Supreme Court dafür,
dass der Vierte Verfassungszusatz nicht zur Anwendung gelangt, soweit die NSA im Ausland die Telekommunikation von Ausländern überwacht.763 Von besonderer Bedeutung ist dabei eine Entscheidung aus dem
Jahr 1990 („United States v. Verdugo-Urquidez“).764 Nach dieser unterfällt die Durchsuchung des in einem
fremden Staat belegenen Eigentums eines nicht in den USA residierenden Ausländers nicht dem Schutz des
Vierten Verfassungszusatzes.765
Soweit die NSA in den USA die Telekommunikation von Ausländern überwacht – z. B., indem sie auf die
US-amerikanische Telekommunikationsinfrastruktur zugreift oder sich der Mithilfe US-amerikanischer Telekommunikationsunternehmen bedient –, könnte es nach Auffassung des Sachverständigen Miller anders
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United States Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967).
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Miller, MAT A SV-3/2, S. 21.
United States Supreme Court, Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979).
United States Supreme Court, Smith v. Maryland, 442 U.S. 735, 742 (1979).
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Miller, MAT A SV-3/2, S. 25.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Miller, MAT A SV-3/2, S. 22.
Schriftliches Gutachten des Sachverständigen Miller, MAT A SV-3/2, S. 23.
United States Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990).
Siehe United States Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259, 264-275 (1990).