Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1685 –
Drucksache 18/12850
die zudem den menschenrechtlichen Anforderungen genügen muss. Die gezielte Tötung darf keine bestrafende Sanktion sein, sondern sie muss ausschließlich das präventive Ziel verfolgen,9049 menschliches Leben
vor rechtswidrigen Gewaltakten zu schützen (vgl. Artikel 2 Absatz 2 lit. a EMRK). Die Tötung muss absolut
erforderlich sein. Sie darf nicht derart vorbereitet sein, dass sie das originäre Ziel einer Operation ist, sondern
ein an sich ungewolltes letztes Mittel. Vor dem Hintergrund dieser Rechtfertigungsanforderungen wird klar,
dass die mittels Drohnenangriffen durchgeführten gezielten Tötungen außerhalb bewaffneter Konflikte nur
in seltenen Fällen völkerrechtskonform sein können.9050 Regelmäßig sind schon die vorbereitenden Schutzstandards für ihren verhältnismäßigen Einsatz nicht gewährleistet.
Schließlich ist auf die prozessrechtliche Verpflichtung aus Artikel 2 EMRK hinzuweisen, wonach dem verursachenden Vertragsstaat bei ungeklärten Todesfällen eine effektive behördliche Untersuchung über die
Rechtmäßigkeit und die Umstände der Tötung obliegt.9051
Im Fall des Geiseldramas im russischen Beslan, bei dem mehr als 330 Menschen starben, hat der EGMR
seine Rechtsprechung im Bereich der Bekämpfung von Terrorismus weiter konturiert.9052 Russland wurden
erhebliche Mängel beim Krisenmanagement vorgeworfen, die zu einer sehr blutigen Beendigung der Geiselnahme führten. Auch im Falle der Terrorismusbekämpfung, so der EGMR, habe der Vertragsstaat die positive Verpflichtung, Leben zu schützen und effektive Ermittlungen nach den Umständen anzustellen. Besonders neu an dieser Rechtsprechung ist die Forderung nach effektiven Maßnahmen zur Vorbeugung von terroristischen Attacken.9053
dd)
Verfassungsrechtliche Verpflichtungen
Zum Einsatz von tödlichen Drohnen hat der Mehrheitsbericht die Ansichten der Bundesregierung, des Generalbundesanwaltes und des Verwaltungsgerichts Köln9054 Raum gegeben. Dabei wurde deutlich, dass die
Bundesregierung ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht zur Unterlassung friedensstörender Handlungen sowie
zum Schutz von Leib und Leben durch eine Umkehrung der Beweislage zu entfliehen versucht. Nicht das
Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für eine Vielzahl signifikant völkerrechtswidriger Drohneneinsätze
könne die Kontroll- und Abwendungspflicht der Bundesregierung für den Drohneneinsatz der USA insgesamt auslösen. Vielmehr könne die an sich zu unterstellende Völkerrechtskonformität von Drohnenangriffen
lediglich aufgrund einer Einzelfallprüfung bezweifelt werden. Wie der als Zeuge vernommene Leiters der
Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt, Dr. Martin Ney, zuständig für Fragen des Völkerrechts, hervorhob,
treffe die Bundesregierung solange keine Verpflichtung, eine etwaige eigene Beteiligung, etwa durch die
Zulassung der Nutzung militärischer Anlagen auf deutschem Staatsgebiet, zu überprüfen und entsprechende
Ermittlungen aufzunehmen, wie ein Kampfdrohneneinsatz völkerrechtsgemäß sein könnte.9055
9049)
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Städele, J.P. (2014): Völkerrechtliche Implikationen des Einsatzes bewaffneter Drohnen (Duncker & Humblot, Berlin), S. 320.
Städele, J.P. (2014): Völkerrechtliche Implikationen des Einsatzes bewaffneter Drohnen (Duncker & Humblot, Berlin), S. 320.
Grundsätzlich EGMR, Urt. 27.9.1995, Nr. 18984/91, McCann u.a./Vereinigtes Königreich, Rn. 161.
EGMR, Urt. v. 13.4.2017, Nr. 26562/07, Tagayeva u.a./Russland.
EGMR, Urt. v. 13.4.2017, Nr. 26562/07, Tagayeva u.a./Russland, Rn. 478-493.
VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2015, Az. 3 K 5625/14, MAT A NW-2/2a, Bl. 254 ff.
Dr. Ney, Protokoll-Nr. 89 I, S. 38.