Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1683 –
Drucksache 18/12850
Protokoll I sind Angriffe, bei denen mit Toten oder Verletzungen in der Zivilbevölkerung oder der Beschädigung ziviler Objekte zu rechnen ist, verboten, wenn sie in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten
und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen. Dementsprechend sind Angriffe völkerrechtswidrig, wenn
dabei exzessive Schäden an Zivilpersonen und zivilen Objekten entstehen.9038 Dabei darf die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht allgemein und schematisch bleiben, sondern muss sehr konkret und im Einzelfall erfolgen.
Vor dem Hintergrund der erwiesenen hohen Fehlerraten, Angriffe auf Ziele, die keinen Bezug zu militärischen Auseinandersetzungen aufweisen und vor allem im Hinblick auf die sehr konkrete Gefährdung aller
Menschen in der Nähe von Zielobjekten, ist die Verhältnismäßigkeit von Drohnenangriffen ernsthaft zu bezweifeln.
(c)
Präzisere Kriegsführung?
Im Kontext des Drohnenkriegs wird regelmäßig behauptet, dass der Einsatz von Kampfdrohnen mit einer
sicheren Kriegsführung einhergeht. Tatsächlich aber führen Drohnen auch zu einer höheren
„Angriffsfläche für informationelle Störungen und können unter Umständen durch ein
Übermaß an von ihnen generierten Daten sogar zu einer insgesamt schlechteren Informationslage führen.“9039
Hinzu kommt, dass bei automatisierten Kampfdrohnensystemen kein Raum für menschliche Wertungsentscheidungen mehr besteht. Wertgebundene Entscheidungen über Leben und Tod werden durch Algorithmen
erzeugte Trefferwahrscheinlichkeiten ersetzt. Nicht zuletzt im Hinblick auf und wegen der zusätzlichen Fehlerhaftigkeit der Kampfdrohnen erscheint es höchst fraglich, ob eine solche Kriegsführung überhaupt mit
Artikel 6 IPbpR und Artikel 6 EMRK vereinbar ist. Zudem ist hier auf die Folgeverpflichtung zur Aufklärung
von Todesfällen hinzuweisen.9040
Im Kontext des Drohnenkriegs sind vor allem die sogenannten „signature strikes“ besorgniserregend. Bei
derartigen Angriffen werden Personen gezielt getötet, deren Identität nicht bekannt ist, die jedoch ein Verhaltensmuster an den Tag legen, das mit einem bestimmten Profil assoziiert wird.
cc)
Menschenrechtliche Bewertung
Ein Aspekt, der im Mehrheitsbericht nicht angemessen berücksichtigt wird, ist die ganz herrschende Meinung, dass auch in bewaffneten Konflikten die internationalen Menschenrechtspakte ihre Geltung nicht ver-
9038)
9039)
9040)
Platek, O., Autonome Kriegsführung und legitime militärische Ziele, in Frau, R. (Hg.) (2014): Drohnen (Mohr Siebeck, Tübingen),
S. 47.
Stroh, P. Das Menschenrecht auf Leben im „entmenschlichten“ bewaffneten Konflikt, in Frau, R. (Hg.) (2014): Drohnen (Mohr
Siebeck, Tübingen), S. 162.
So Stroh, P. Das Menschenrecht auf Leben im „entmenschlichten“ bewaffneten Konflikt, in Frau, R. (Hg.) (2014): Drohnen (Mohr
Siebeck, Tübingen), S. 162.