Drucksache 18/12850
– 1682 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Angesichts asymmetrischer Konfliktlagen und dynamischer Konfliktverläufe wird heute vermehrt angenommen, dass diese Voraussetzung nicht notwendig vorliegen muss,9035 jedoch mindestens eine Indiz-Wirkung
für den Organisationsgrad einer bewaffneten Gruppe hat. Mit anderen Worten: Die Gebietskontrolle gilt als
wichtiges Indiz für die Fähigkeit von bewaffneten Gruppen, langanhaltende Kampfhandlungen durchführen
zu können. Anschläge von als terroristisch eingestuften Gruppen, die nicht als bewaffnete Konflikte eingestuft werden können, sind somit ausschließlich nach nationalen strafrechtlichen Vorschriften zu bewerten
und mit polizeilichen bzw. strafprozessualen Mitteln zu verfolgen. Notwendig ist also stets eine Einzelfallprüfung.
Nach geltender Rechtslage ist jedenfalls das unterschiedslose Zusammenführen aller möglichen, locker mit
einer Kernorganisation verbundenen Personengruppen und Personen zu einer militärischen Einheit und damit
deren Qualifikation als legitimes militärisches Ziel unzulässig.9036 Personen, die eine gemeinsame Ideologie
oder Feindbilder haben und vereinzelte Aktionen durchführen, sind nach strafrechtlichen Maßstäben zu verfolgen, hier greift das humanitäre Völkerrecht offensichtlich nicht.
Weiter ist zu fragen, ob schon die Mitgliedschaft in einer organisierten bewaffnete Gruppe genügen kann,
um eine Person mit einer Kampfdrohne gezielt töten zu dürfen. Führt mit anderen Worten bereits die Zugehörigkeit zu einer bewaffneten Gruppe zum Verlust des Zivilschutzes und macht die Betroffenen dadurch
dauerhaft zu legitimen Zielen von Angriffen? Nicht zu verwechseln ist dieser Sachverhalt mit Zivilisten, die
„unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen“ und dadurch gemäß Artikel 13 Absatz 3 Protokoll II ihren
Schutzstatus verlieren.
Eine Orientierung diesbezüglich bieten die Interpretationsrichtlinien des Internationalen Roten Kreuzes, die
einen strengeren Maßstab anlegt. Nur diejenige Mitglieder der organisierten bewaffneten Gruppen, die eine
fortdauernde Kampffunktion (continious combat function) innerhalb der Gruppe ausüben, können legitimes
militärisches Ziel sein.9037 Besteht also eine solche fortdauernde Kampffunktion nicht, genießt die Person
völkerrechtlich gesehen den gleichen Schutz wie jede andere Zivilperson auch, es sei denn sie nimmt unmittelbar an Feindseligkeiten teil, dann bleibt sie zwar Zivilist, verliert aber ihre Immunität für die Dauer der
Kampfhandlungen.
Daher ist die Ansicht der Bundesregierung, wonach gezielte Tötungen von Kämpfern in nicht-internationalen
bewaffneten Konflikten auch außerhalb von Feindseligkeiten grundsätzlich rechtmäßig seien, nicht haltbar.
Eine solche Rechtsauslegung öffnet Tür und Tor für menschenrechtswidrige außergerichtliche Tötungen.
(b)
Verhältnismäßigkeit bei zivilen „Kollateralschäden“?
Mit dem Status von Zivilisten nicht direkt zusammenhängend, aber für nicht-internationale bewaffnete Konflikte sehr relevant, sind die sogenannten Begleit- oder Kollateralschäden. Nach Artikel 51 Absatz 5 lit. b
9035)
9036)
9037)
Vgl. auch die fehlende Bezugnahme in Art. 8 Absatz 2 lit. f. IstGH-Statut; anders allerdings der Internationale Gerichtshof für
Ruanda, Akayesu, Urt. v 2.9.1998, ICTR-96-4, Rn. 626.
Vgl. auch Städele (2014): Völkerrechtliche Implikationen des Einsatzes bewaffneter Drohnen (Dunker & Humblot, Berlin), S. 214.
Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation in Hostilities under International Humanitarian Law, verabschiedet von
der Vollversammlung des IKRK am 26. Februar 2009, 872 International Review of the Red Cross 991, S. 1013 ff.