Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1681 –

Drucksache 18/12850

Raketeneinschlags doch in einem Haus und war eine Differenzierung zwischen Kombattanten und Zivilpersonen kaum möglich. Doch offenbar genügte der Generalbundesanwaltschaft schon eine bloße Kontaktschuld:
„Bei dem Getöteten handelte es sich nicht um einen Zivilisten, denn er gehörte einer
organisierten bewaffneten Gruppe an, die Terroranschläge verübt; ohne Bedeutung ist,
dass er zum Zeitpunkt des Angriffs nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnahm.“9029
Bei seiner Anhörung im Ausschuss räumte Ministerialdirektor Michael Koch jedoch ein, dass es keine verbindliche Definition des bewaffneten Konflikts gebe:
„Jeder Rechtsanwender stellt das selber für sich fest.“9030
Angesichts der Tatsache, dass die Hälfte der weltweit an Kriegen beteiligten Personen Mitglieder nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen sind, vermag dieser ins Ermessen des Rechts- oder gar Waffenanwenders gestellte Feststellung über das Vorliegen und die Zugehörigkeit einer Person zu einer „bewaffneten Gruppe“
nicht zu genügen. Vielmehr bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung über die jeweiligen Voraussetzungen und damit auch einer Auseinandersetzung mit dem Begriff des (transnationalen) „Terrorismus“.
Weil Mitglieder einer organisierten bewaffneten Gruppe grundsätzlich den Zivilpersonen zukommenden
Schutz verlieren und somit legitimes militärisches Ziel von Kampfdrohnen werden können, ist – ebenso wie
bei einer vorschnellen und pauschalen Anwendung der Regelungen des humanitären Völkerrechts im Bereich
der Terrorismusbekämpfung – auch im Hinblick auf die Unterscheidungskriterien über das Vorliegen einer
organisierten bewaffneten Gruppe eine restriktive Auslegung geboten. Einzelne terroristische Aktivitäten eröffnen noch lange nicht den Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts.9031 Die Gewaltanwendung
muss nach Artikel 1 Protokoll II lang anhaltend und koordiniert sein und eine gewisse Intensität erreicht
haben; zudem muss die bewaffnete Gruppe einen gewissen Organisationsgrad aufweisen.
Dieser ist erst dann gegeben, wenn die Gruppe unter einer verantwortlichen Führung mit einer zentral agierenden Befehlsorganisation sowie hierarchischen Kommandostruktur steht und über eigene Disziplinarregeln
zur Einhaltung humanitären Völkerrechts verfügt.9032 Dazu gehört auch die Möglichkeit der Planung und
Durchführung von anhaltenden und konzentrierten militärischen Operationen durch eine de facto-Autorität.9033 Zudem ist zu prüfen, ob die bewaffnete Gruppe über einen Teil des staatlichen Territoriums Gebietskontrolle ausübt.9034

9029)
9030)
9031)
9032)
9033)
9034)

Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Verfügung vom 20.6.2013, Az. 3 BJs 7/12 – 4, zitiert nach juris; Leitsatz und
Gründe in NStZ 2013, S. 644-647.
Michael Koch, Protokoll-Nr. 80 I, S. 50
Internationaler Gerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, Tadić, Urt. v. 7.5.1997, Nr. IT-94-1-T, Rn. 562.
Internationaler Gerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, Haradinaj/Balaj/brahimaj, Urt. v .3.4.2008, Nr. IT-04-84-T, Rn. 393.
Schwarz, A., Die Voraussetzungen einer „organisierten bewaffneten Gruppe“, Frau, R. (Hg.) (2014): Drohnen (Mohr Siebeck, Tübingen), S. 270.
Eingehend Schwarz, A., Die Voraussetzungen einer „organisierten bewaffneten Gruppe“, Frau, R. (Hg.) (2014): Drohnen (Mohr
Siebeck, Tübingen), S. 271-274.

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