Drucksache 18/12850
– 1680 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
„Soweit es sich um Objekte handelt, gelten als militärische Ziele nur solche Objekte,
die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihres Standorts, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche
oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem
betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil
darstellt.“
Ziel dieser Vorschrift ist es, einen möglichst umfassenden Schutz ziviler Objekte zu gewährleisten. Nicht nur
müssen die Objekte als Ziel eines militärischen Einsatzes geeignet sein. Ihre Zerstörung, Inbesitznahme oder
Neutralisierung muss jedenfalls prognostisch – auch noch im Zeitpunkt des Angriffs – einen eindeutigen
militärischen Vorteil herbeiführen. Der Vorteil muss also bedeutend unmittelbar, bestimmt und konkret sein,
also keineswegs nur hypothetisch oder potentiell;9025 zudem muss der Vorteil militärischer Natur sein und
nicht etwa lediglich einen politischen oder propagandistischen Vorteil versprechen.9026 Ersichtlich wird auch,
dass der Begriff des militärischen Ziels über den Begriff des militärischen Objekts hinaus geht und auch
zivile oder sogenannte „Dual-Use-Objekte“ umfassen kann.9027
Im Zweifelsfall zu ist jedoch zu vermuten, dass ein in der Regel für zivile Zwecke bestimmtes Objekt, wie
beispielsweise eine Kultstätte, ein Haus, eine sonstige Wohnstätte oder eine Schule, nicht dazu verwendet
wird, wirksam militärische Handlungen herbeizuführen.9028
(a)
„Organisierte bewaffnete Gruppe“
Neben dem Status von Kombattanten und von Personen, die unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen,
kommen nur sog. „organisierte bewaffnete Gruppen“ als legitime Ziele von Angriffen in Betracht. Der Begriff der „organisierten bewaffneten Gruppe“ ist in Artikel 1 Zusatzprotokoll (1977) und Artikel 8 Absatz 2
lit. f des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH-Statut) enthalten. Mit der Frage, inwiefern organisierte bewaffnete Gruppen als legitimes militärisches Ziel zu gelten haben, ist auch die Frage nach der
Reichweite von Kriegsverbrechen gemäß Art. 8 IStGH-Statut (bzw. § 8 Völkerstrafgesetzbuch) verbunden.
Die gezielte Tötung des deutschen Staatsangehörigen Bünjamin Erdogan am 4. Oktober 2010 in Mir Ali in
Pakistan durch eine Kampfdrohne hat auch die deutschen Strafverfolgungsbehörden mit der Frage beschäftigt, ob Bünjamin Erdogan als legitimes Ziel, also als Mitglied einer „organisierten bewaffneten Gruppe“
gesehen werden kann. Der Generalbundesanwalt kam zu dem Ergebnis, dass die Tötung von Bünjamin Erdogan kein Kriegsverbrechen (§§ 8 ff. VStGB) dargestellt habe und auch sonst nicht strafbar sei. Bünjamin
Erdogan sei bei seiner Vorbereitung „auf ein Selbstmordattentat auf eine militärische Einrichtung“ im Rahmen einer gezielten Bekämpfung aufständischer Gruppierungen ums Leben gekommen. Dabei hätte sich der
Drohnenangriff nicht „gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen gerichtet“
und das Prinzip der militärischen Notwendigkeit erfüllt. Das verwundert, befand er sich zum Zeitpunkt des
9025)
9026)
9027)
9028)
Arendt, R. (2016): Völkerrechtliche Probleme beim Einsatz autonomer Waffensysteme (BWV, Berlin), S. 64.
Platek, O., Autonome Kriegsführung und legitime militärische Ziele, in Frau, R. (Hg.) (2014): Drohnen (Mohr Siebeck, Tübingen),
S. 47, Fn. 63.
Arendt, R., Der Einsatz autonomer Waffensysteme im Lichte des Verhältnismäßigkeits- und des Unterscheidungsgrundsatzes, in
Frau, R. (Hg.) (2014): Drohnen (Mohr Siebeck, Tübingen), S. 23.
Artikel 52 Abs. 3 Protokoll I.