Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1645 –
Drucksache 18/12850
dann noch mal aussortiert nach Altersgruppen, haben uns die Liste noch kurz angesehen und haben die Daten an die HBW oder an den BND dann weitergegeben.“8849
Die Weitergabe erfolgte meistens direkt an den Verbindungsbeamten der HBW, der sein Büro auf dem gleichen Gang wie das Sicherheitsreferat hatte. 8850 Rechtsgrundlage für die Datenweiterleitung sei § 8 Abs. 3
BNDG gewesen, so Leistner-Rocca.8851
b)
Freiwillige Kooperation mit einer Tarnbehörde?
Dem BAMF war bewusst, dass die HBW eine Tarneinrichtung des BND war.8852 Den befragten Asylbewerber_innen jedoch war nicht klar, dass sie von einem Geheimdienst befragt wurden. Die Befragungen fanden
unter der Legende HBW statt.8853 Da im Untersuchungsausschuss nur Befrager_innen und nicht Befragte
vernommen wurden, fand die Perspektive Letzterer im Ausschuss kaum Platz. Aus der Reportage „Geheimer
Krieg“ geht hervor, dass den Asylbewerber_innen häufig nicht klar war, welcher Behörde gegenüber sie
gerade aussagten.8854 Ein somalischer Dolmetscher berichtet, nicht selten seien schon bei der offziellen
Asylanhörung neben den BAMF-Befrager_innen zusätzliche Personen anwesend gewesen, die sich als Praktikanten ausgaben und alle Aussagen der Asylbewerber_innen auf ihren Laptops mitschrieben.8855
„‚Für viele Somalier ist das der wichtigste Tag in ihrem Leben‘, sagt Ahmed Wazir.
‚An dem Tag legen sie ihr Schicksal auf den Tisch und eine Person kann über ihre
Zukunft entscheiden. Viele zittern, wenn ich sie in den Raum führe.‘ Die zusätzlichen
Personen bei dem Interview fallen ihnen meistens durchaus auf, niemals würden sie
sich jedoch trauen, ihre Anwesenheit in Frage zu stellen.“8856
Falls die Befragten Angaben von entsprechendem Interesse machten, erfolge dann die Kontaktaufnahme
durch die HBW. Der Zeuge R. C. gab an, Grundlage für die Einladung der Asylbewerber_innen zu einem
Gespräch sei das Anhörungsprotokoll.8857
Zu Beginn des Erstgesprächs seien die Befragten informiert worden, die Befragung erfolge freiwillig und
habe keinerlei Einfluss auf ihr Asylverfahren.8858
Wie frei der Wille der befragten Asylbewerber_innen tatsächlich war, ist zweifelhaft. Mitten im Asylverfahren von einer staatlichen Behörde darum gebeten zu werden, sich „zu einem Gespräch zur Verfügung zu
stellen“ dürfte wohl angesichts der Zwangslage in der sich die Gefragten befinden, schwer abzulehnen seien:
8849)
8850)
8851)
8852)
8853)
8854)
8855)
8856)
8857)
8858)
Leistner-Rocca, Protokoll-Nr. 76 I, S. 12.
A. K., Protokoll-Nr. S. 64 I, S. 86.
Leistner-Rocca, Protokoll-Nr. 76 I, S. 17.
A. K., Protokoll-Nr. 64 I, S. 50.
A. K., Protokoll-Nr. 64 I, S. 78.
Vgl. Christian Fuchs/John Goetz: „Geheimer Krieg“, 1. Auflage, November 2013, S. 122 ff.
Christian Fuchs/John Goetz: „Geheimer Krieg“, 1. Auflage, November 2013, S. 123.
Christian Fuchs/John Goetz: „Geheimer Krieg“, 1. Auflage, November 2013, S. 123.
R. C., Protokoll-Nr. 110 I, S. 11.
R. C., Protokoll-Nr. 110 I, S. 11.