Drucksache 18/12850
– 1644 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Aus einem durch den Referatsleiter des BND angeforderten Bericht habe er von den alleinigen AND-Befragungen erfahren.8844 Davor habe er nichts Konkretes über die Befragungspraxis der HBW gewusst.8845
Es ist auch an dieser Stelle fraglich, welches Verständnis von Aufsicht die für die Geheimdienstkontrolle
zuständigen Referate im Bundeskanzleramt zu diesem Zeitpunkt gehabt haben. Offensichtlich wurden entsprechende Nachforschungen erst angestellt, nachdem die Diskussion um die problematischen HBW-Befragungen bereits die Öffentlichkeit erreicht hatte. Seine Kontrollfunktion gegenüber dem BND hatte das Kanzleramt auch hier die längste Zeit versäumt.
2.
Kooperation der HBW mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Im Untersuchungsausschuss wurde auch die Zusammenarbeit der HBW mit dem BAMF8846 diskutiert.
a)
Auswahl per Kriterienkatalog
Das BAMF, eigentlich für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständig, unterstützte die HBW regelmäßig
bei der Auswahl der zu befragenden Einwanderer_innen.
Das Bundesamt traf hierbei nach der Anhörung auf Grundlage eines „Kriterienkatalogs“ der HBW die Vorauswahl für die Befragungen. Die Zeugin Renate Leistner-Rocca, langjährige BAMF-Mitarbeiterin und bis
2013 Leiterin des Sicherheitsreferats, schilderte die Auswahlpraxis folgendermaßen:
„Die Entscheider hatten alle diesen Kriterienkatalog des BND und auch des Verfassungsschutzes, und wenn im Verlauf eines Asylverfahrens, insbesondere im Verlauf
einer Anhörung, Schilderungen kamen, wo die Kollegen angenommen haben, dass es
unter diesen Kriterienkatalog oder unter ein, zwei Stichworte der Kriterienkataloge zu
subsummieren ist, dann haben die Kollegen uns diesen Fall geschickt. Also, mit „uns“
meine ich jetzt das Sicherheitsreferat. Meine Kollegen haben sich den Fall dann noch
mal angesehen und haben dann entschieden, ob das Anhörungsprotokoll weitergegeben wird und an wen.“8847
Sprachen Asylbewerber_innen in ihrer Erstanhörung über Themen wie organisierte Kriminalität, terroristische Gruppierungen, Waffenhandel oder auch staatliche Administration oder das Militär, wurden diese
„Fälle“ an das Sicherheitsreferat weitergeleitet und nach einer Überprüfung dann an die HBW.8848
In späteren Jahren habe das Sicherheitsreferat sogenannte „Montagslisten“ für die HBW zusammengestellt:
„Wir haben von unserem Statistikreferat uns jeden Montag eine Liste mit angehörten
Asylbewerbern aus bestimmten Herkunftsländern geben lassen. Die Liste haben wir
8844)
8845)
8846)
8847)
8848)
Karl, Protokoll-Nr. 76 I, S. 75.
Karl, Protokoll-Nr. 76 I, S. 73.
Bis 2004 Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.
Leistner-Rocca, Protokoll-Nr. 76 I, S. 12.
Leistner-Rocca, Protokoll-Nr. 76 I, S. 13; vgl. Kriterienkatalog des BND, Stand: März 2004, MAT A BAMF-3/1, Bl. 40 f. (VSNfD).