Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1627 –

Drucksache 18/12850

Ähnlich äußert sich in diesem Zusammenhang auch Frank Wingerath und bestätigte, dass die Five-EyesStaaten nicht mit auf der Liste der permanent zu beobachtenden Staaten standen.8754
Für ausgewählte Staaten – China oder Russland wurden mehrfach genannt8755 – gibt es, vermutlich bis heute,
eigene Referate innerhalb der Spionageabwehr des BfV, für alle übrigen Staaten (im Untersuchungszeitraum
155) gibt es das 360-Grad-Referat. Es wird erst tätig, wenn es einen konkreten Verdacht bzw. Anlass gibt.
Verdichten sich die Hinweise, erfolgt temporär eine systematische Bearbeitung dieses Landes. Wenngleich
angegeben wurde, dass es für den Untersuchungszeitraum innerhalb der Spionageabwehr keine Anlässe zu
einer anlassbezogenen Untersuchung von SIGINT Spionage durch die Five-Eyes-Staaten gab8756, so schloss
zumindest der Zeuge Frank Wingerath nicht aus, dass es politische oder Wirtschaftsspionage durch die FiveEyes-Staaten in Deutschland gab oder auch gibt:
„Ich kann es auf gar keinen Fall ausschließen. Ich kann nur sagen: Ich hoffe nicht. Wir
haben immer wieder Fälle oder Hinweise, dass so etwas vielleicht passiert, was den
Untersuchungsgegenstand, die technische Spionage, betrifft, auch da aber in deutlich
geringerem Prozentsatz.“8757
Im Endeffekt scheint es sich beim 360-Grad-Referat eher um ein Placebo handeln. Die gesetzlichen Aufgaben gemäß §3 Abs. 1 Nr. 2 BVerSchG werden zwar theoretisch gewahrt, tatsächliche Spionageabwehr findet
aber woanders statt.
Das BfV ist an dieser Stelle Opfer seines eigenen Freund-Feind-Schemas geworden. Beobachtet man bestimmte Staaten systematisch aus dem Blickwinkel der Spionageabwehr, so wird man viel eher zu Treffern
gelangen, als wenn man auf einen konkreten Anlass wartet, welcher eine Bearbeitung rechtfertigt. Staaten
im Pool des 360-Grad-Referates haben von der deutschen Spionageabwehr nicht viel zu befürchten. .
„Wenn man nicht hinguckt, sieht man nur ganz, ganz selten was, und wenn man systematisch hinguckt, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß bei vielen Staaten, dass
man was sieht. […] Aber es ist klar: Wenn ich beschränkte Ressourcen einsetze, dann
finden bestimmte Dinge nicht statt. Und wenn ich mehr Ressource einsetze, dann kann
man deutlich mehr machen und erzielt dann auch entsprechende Erfolge, mit großer
Wahrscheinlichkeit jedenfalls.“8758
Zum Ende der öffentlichen Befragung gesteht der Zeuge Dr. Burkhard Even ein
„[…] aktuell sind die Five Eyes mit Sicherheit ein lohnendes Objekt der Bearbeitung,
ja. […] Ich glaube die Nazis sind heute nicht mehr der Grund, warum amerikanische
Dienste auch bei Deutschland hingucken.“8759

8754)
8755 )
8756)
8757)
8758)
8759)

Vgl. Wingerath, Protokoll-Nr. 98 I, S. 65.
Fritsche, Protokoll-Nr. 57 I, S. 21; Dr. Thomas de Maizière, Protkoll-Nr. 55 I, S. 98
Vgl. Wingerath, Protokoll-Nr. 98 I, S. 64.
Wingerath, Protokoll-Nr. 98 I, S. 91.
Even, Protokoll-Nr. 100 I, S. 60 f.
Even, Protokoll-Nr. 100 I, S. 62.

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