Drucksache 18/12850
– 1622 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Schon im Jahr 2005 verstieß die Übermittlung der Selektoren zu den Firmen „EUROCOPTER“ und
„EADS“ durch die NSA zwecks Einsteuerung zum Ausspähen durch den BND gegen deutsches Recht.
Im BND war dies 2005 aufgefallen. Der deutsche Nachrichtendienst hatte diese Selektoren deshalb damals aus der Erfassung herausgenommen. Der NSA wurde dies mitgeteilt und von ihr auch akzeptiert.
Ihr war offensichtlich klar, dass der Einsatz dieser Suchbegriffe mit deutschem Recht nicht vereinbar
war. Wirtschaftsspionage gehörte nicht zum Aufgabenbereich des BND und angeblich auch nicht der
NSA, zumal dadurch eminent gegen deutsche Interessen vorstoßen wurde. Schließlich wurden damit
zwei große deutsch-europäische Wirtschaftsunternehmen ausgespäht, die in einigen Produktbereichen in
direkter Konkurrenz zu US-Firmen standen. Der BND war deshalb gewarnt und zu Recht skeptisch und
misstrauisch gegenüber der NSA und teilte dies auch immer wieder dem Kanzleramt mit: Am 14. Februar 2008 warnte der BND, „dass die US-Seite versucht, die Nachrichtengewinnung auf Bereiche auszudehnen, die nicht im deutschen Interesse sind.“ Im Juni 2010 schrieb der BND: „NSA hat jedoch in
2005 Erfassungskriterien zu den Firmen EADS, Eurocopter und verschiedenen französischen Behörden
in JSA eingestellt. BND hat dies entdeckt und im Anschluss unterbunden.“ Zudem befürchtete der BND,
„dass die NSA weiterhin gemäß US-Interessen deutsche Ziele aufklärt.“8744
3. Im BND war spätestens am Tag nach dem Auftritt Pofallas vom 12. August 2013 bereits bekannt, dass
die NSA im Laufe der vorangegangenen Jahre tausende Selektoren, also Suchbegriffe, zugeliefert hatte,
die gegen das MoA, also die US-deutsche Vereinbarung aus dem Jahr 2002 und gegen deutsches Recht
verstoßen. Entsprechend bewerteten die zuständigen Fachleute des BND im August 2013 die Selektoren,
die vom BND eingesteuert worden waren, und steuerten sie deshalb aus. Der Zeuge D. B., Unterabteilungsleiter im BND, hatte Anfang August 2013 nach den Veröffentlichungen der Dokumente aus dem
Besitz von Snowden und nach öffentlichen Erklärungen der Bundesregierung wie „Ausspähen unter
Freunden geht gar nicht“ Anlass gesehen, die von der NSA zur Verfügung gestellten und vom BND
gesteuerten Selektoren insgesamt auf unzulässige und rechtswidrige zu überprüfen. Dabei waren sie auf
die insgesamt 40.000 bemakelte NSA-Selektoren gestoßen und hatten diese aus der Steuerung genommen. Die ausgesonderten Selektoren betrafen u. a. Regierungsstellen von EU-Staaten, EU-Institutionen
und Mitglieder befreundeter Regierungen, aber auch Deutsche. Sie waren nach Wertung der „Sachverständigen Vertrauensperson“ der Bundesregierung, Graulich, nach dem MoA vertragswidrig. Sie gefährdeten potentiell die Beziehungen mit den EU-Partnern und schadeten deutschen Interessen erheblich. Ihr
Einsatz war auch eine schwere Fehlleistung des BND. Im Falle des Bekanntwerdens dieser Ausspähpraktiken war nicht nur das Ansehen der Kanzlerin und der Bundesregierung sondern auch der BRD
gefährdet. Wohl deshalb hat sich auch der spätere Kanzleramtschef Altmaier nach Bekanntwerden der
Selektoren intern und öffentlich bestürzt und empört geäußert. Ob die Spitze des BND und das aufsichtführende Kanzleramt bereits im August 2013 vom Auffinden dieser bemakelten US-Selektoren Kenntnis
erlangt hatten oder erst im März 2015, ist ungeklärt. Der Zeuge D. B. und andere BND-Mitarbeiter, die
von dem Vorgang wussten, haben verneint, dass sie diese Information nach oben weitergegeben haben.
Die Zeugen aus der Spitze des BND und aus dem Kanzleramt haben übereinstimmend betont, erst 2015
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Frontal21 vom 27. April 2015, „Nachgehakt – US-Wirtschaftsspionage: de Maiziere war ab Februar 2008 informiert“.