Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1619 –
IX.
„No Spy“ und Pofallas Erklärung
1.
Pofallas Erklärung vom 12. August 2013
Drucksache 18/12850
Die Bundesregierung zog am 12. August 2013 die Notbremse, nachdem sie in den Sommermonaten vergeblich versucht hatte, die Vorwürfe aus den Veröffentlichungen der Snowden-Dokumente abzuwehren. Einen
Monat vor der Bundestagswahl 2013 versuchte sie alles Belastende vom Tisch zu räumen. Kein geringerer
als der Chef des Bundeskanzleramtes, Staatsminister Pofalla, selbst verlas im Anschluss an eine Sitzung des
streng abgeschirmt und geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages überraschend eine vorbereitete schriftliche vierseitige Erklärung mit dem Ergebnis der Sitzung des Gremiums.
Gleich an sechs Textstellen des Papiers wird versichert, die Geheimdienste der USA (NSA) und Großbritanniens (GCHQ) hätten mitgeteilt, dass sie „Recht und Gesetz in Deutschland einhalten“. Die NSA unternehme
auch nichts, um deutsche Interessen zu schädigen. Die US-Seite habe sogar den „Abschluss eines No-SpyAbkommens angeboten“, das stilbildend für die westlichen Dienste sein könne.
Nichts davon war richtig und stimmte. Ihren Zweck hatte die Wahlkampfaktion des Kanzleramts gleichwohl
erreicht. BND und NSA waren bis zur Wahl und dem Bekanntwerden des Abhörens der Kanzlerin Handy
aus den Schlagzeilen.
a)
Weder ein „Angebot“ noch ein No-Spy-Abkommen
Heute wissen wir, es gab kein „Angebot“ der US-Seite für ein „No-Spy-Abkommen“. Was es bei den Gesprächen in den USA vom 4. bis 6. August 2013 vermutlich gegeben hat, waren Überlegungen der US-Gesprächspartner_innen aus den Nachrichtendiensten zu Grenzen und Grundsätzen nachrichtendienstlicher
Überwachung. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass am 5. August 2013 die deutsche Delegation in
Washington auf die US-Nachrichtendienstchefs Clapper und Alexander trafen. In diesem Gespräch soll
Clapper gesagt haben, es könne sich die Bildung einer Arbeitsgruppe vorstellen, die ein Abkommen nach
dem Vorbild des MoA aus dem Jahr 2002 für ganz Deutschland erarbeite. Seinerzeit war vereinbart worden,
dass beide Seiten sich an deutsches Recht und Gesetz halten. Clapper soll auch betont haben, er könne nichts
entscheiden, dies könne nur die US-Regierung. Der Zeuge BND-Präsident Schindler meinte sich zu erinnern,
die Worte „No-Spy“ seien gefallen. Andere Teilnehmer dieses Gesprächs, die Zeugen Fritsche und Heiß,
bestätigten nicht, dass diese Worte in der Besprechung vorkamen. Jedenfalls soll es Vorbehalte der USA
gegen eine Vereinbarung gegeben haben und klargestellt worden sein, über das Ob einer solchen entscheide
allein die politische Ebene – sprich: die Regierung.
Dies wurde nachträglich bestätigt, als nach Pofallas Erklärung Anfang November 2013 BND-Präsident
Schindler erneut in die USA reiste und dort NSA-Direktor Alexander traf. Dieser wies erneut auf die Notwendigkeit einer Genehmigung durch die US-Regierung für jegliche Vereinbarung hin.
Von einem solchen Vorbehalt und der Notwendigkeit einer Entscheidung der Regierungsebene ist in der
Erklärung Pofallas vom 12. August 2013 überhaupt keine Rede. Vielmehr wird gezielt der Eindruck erweckt,
als sei es nur noch eine Frage einzelner Formulierungen, bis das „No-Spy-Abkommen“ steht und unterzeichnet werden kann.