Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1617 –
Drucksache 18/12850
kenntnissstan die jeweiligen Telekommunikationsmerkmale ausgesucht, dem jeweiligen Phänomenbereich
zugewiesen und auf Erforderlichkeit und Geeignetheit für die Aufgabenerfüllung des BND geprüft wurden.
Teilweise sind dem Ausschuss Telekommunikationsmerkmale vorgelegt worden, die über einen Zeitraum
von mehreren Jahren eingesteuert waren. Dass damit relevante Informationen erfasst worden wären, war
demgegenüber nicht oder nicht immer feststellbar. Teilweise war nicht einmal feststellbar, welchem Phänomenbereich die Telekommunikationsmerkmale zugeordnet waren. Anhaltspunkte dafür, dass die Merkmale
vor ihrer Einsteuerung oder nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums in der Steuerung auf die Notwendigkeit
und Erforderlichkeit betrachtet wurden, waren nicht feststellbar.
Soweit sich der BND – wie schon zuvor gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium – auf verschiedene rechtliche Gründe gestützt hat, konnte dies im Ergebnis nicht überzeugen.
So war beipielsweise bei Angehörigen von Institutionen der Vereinten Nationen, der Europäischen Kommission, des Europarates oder ähnlicher Institutionen nicht erkennbar, dass die Überwachung deren elektronischer Telekommunikation überhaupt nicht anders zu erlangende Erkenntnisse im Rahmen des Aufgabenprofils hätten erbringen können. Gleiches galt für die Überwachung von EU-Bürger_innen oder Behörden bzw.
Regierungseinrichtungen in Partnerstaaten. Teilweise war auch für den BND nicht mit letzter Sicherheit
nachvollziehbar oder rekonstruierbar, warum es zu den Steuerungen über teils mehrjährige Perioden gekommen war. Besonders augenfällig wurde dies, wenn lediglich Bestandteile eines Telekommunikationsmerkmals Verwendung fanden, so dass die Anzahl gleichzeitig betroffener Telekommunikationsteilnehmer exponentiell ansteigen musste.
Die im öffentlichen Bericht des PKGr vom 7. Juli 20168738 dargestellten Beispiele vermitteln ein anschauliches Bild, aber weder eine abschließende noch repräsentative Darstellung. Angesichts der Einstufung der
entsprechenden Inhalte wird auf nähere Spezifizierungen verzichtet.
Dass es nahezu allen Sachbearbeiter_innen allein auf Basis einer großzügigen Auslegung des APB möglich
war, eine langjährige Einsteuerung von rechtswidrigen Telekommunikationsmerkmalen in die Aufklärungssysteme des BND, insbesondere in seine Außenstellen, zu besorgen, bestätigt die während der Ausschussarbeit bereits offenbar gewordene „Blauäugigkeit“. Dass die Einsteuerung von Telekommunikationsmerkmalen zu europäischen Bürger_innen und Institutionen gegen Gemeinschaftsrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention verstieß, ist vom BND geflissentlich unberücksichtigt geblieben. Die auch von Verfassung wegen notwendigen Grundsätze für die Datenerhebung wurden ersichtlich nie für die praktische
Arbeit des BND bei der Datenverarbeitung herangezogen.
Soweit im Zusammenhang mit der Arbeit des Ausschusses die sogenannte „Weltraumtheorie“8739 eine gewisse Bekanntheit erlangt hat, sind entsprechende Überlegungen oder Grundsätze jedenfalls durch den handelnden Sachbearbeiter wohl eher nicht angewendet worden. Der Horizont der rechtlichen Zulässigkeitsprüfung endete eher dabei, dass möglichst keinerlei Verletzung des engen G-10-Schutzbereichs im BND verursacht bzw. bejaht werden sollte. Weitergehende Überlegungen wurden nicht angestellt, sondern insbesondere
8738)
8739)
Bundestagsdrucksache 18/9142, S. 8 ff.
Vgl. „Weltraumtheorie“ in Kapitel V.9.a)gg)aaa) – Datenübermittlungen des BND an die NSA aus Bad Aibling