Drucksache 18/12850
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Das Gras wachsen hören

Die gängige Erläuterung von Kanzleramt und BND in der Vergangenheit, bspw. beim Ausspähen auch deutscher Journalist_innen war immer wieder, dass es sich dabei lediglich um unbeabsichtigten „Beifang“ handeln würde. Die vorgelegten Beweismaterialien und die gehörten Zeugen ergaben ein anderes Bild. Ausgangspunkt dafür war ein Bericht des Magazins Der Spiegel vom 15. Oktober 2015.8735
Mehrfach haben Zeugen betont, dass Ausgangspunkt für die Tätigkeit einer Vielzahl verschiedener Sachbearbeiter insbesondere auch in den Außenstellen des BND lediglich das Auftragsprofil der Bundesregierung
(APB) oder eine sogenannte Kurzfristige Auftragssteuerung (KAST) gewesen sei. Allerdings hat es dabei
keinerlei Kontrolle gegeben. Nachdem der Ausschuss zunächst nur eingeschränkte Informationen erhalten
hatte, erhielten die Parlamentarier_innen in Folge des Erweiterungsbeschlusses zum PUA-Auftrag umfangreiche Unterlagen zur Einsicht einschließlich aussortierter BND-Selektoren.
Das Bundeskanzleramt und der BND haben im Zuge der Zeugenvernehmungen versucht, die Legende herzustellen, dass der BND in Gestalt des Unterabteilungsleiters D. B. bereits vor den Veröffentlichungen von
Edward Snowden versucht habe, die Probleme in der eigenen BND-Steuerung in den Griff zu bekommen.
Aktenkundige Belege dafür gibt es nicht. Vielmehr wurde deutlich, dass bereits im Jahr 2009 eine Weisung
über das Verbot der gezielten Erfassung von Telekommunikationsverkehren von UN- und EU-Partnern in
der Abteilung TA für „Unruhe“ bei den Sachbearbeiter_innen geführt habe. In einem entsprechenden Vermerk wurde aber innerhalb der Abteilung TA für den Bereich der strategischen Fernmeldeaufklärung u.a. im
Kabelbereich klargestellt, dass das Kanzleramt diesen Bereich nicht mit seiner Weisung erfasst haben wolle,
da es dies nicht ausdrücklich in seiner Weisung von 2008 erklärt habe.8736 Die vorhandenen Unterlagen über
die von dem Zeugen D. B. angeblich schon im Frühjahr 2013 in Auftrag gegebene Handreichung oder „Matrix“ zur Einsteuerung von Zielen von Partnern datieren erst von Juli 2013 und damit eindeutig nach den
Veröffentlichungen von Edward Snowden.
Aufällig ist in diesem Zusammenhang, dass zum einen auch betont wurde, dass der BND die Erfassungsergebnisse aus den NSA-Selektoren durchaus auch für sich verwandt habe, soweit sich daraus ein entsprechender Mehrwert für den Dienst ergebe. Gleichzeitig wurde behauptet, dass die NSA-Selektoren erst im Sommer
2013 nach den Veröffentlichungen von Snowden näher untersucht worden wären. Der Zeuge B. R. hat zudem
ausdrücklich bestätigt, dass er erst im Juli 2013 begonnen habe, Selektoren aus der BND-eigenen Steuerung
zu deaktivieren, um die Erfassung von EU- und Nato-Zielen zu verhindern.8737 Unabhängig von diesen Arbeiten soll nahezu parallel der Zeuge Dr. T. das Steuerungsprofil der NSA untersucht haben, ohne dass diese
Prozesse miteinander in Verbindung gestanden hätten.
Deutlich geworden ist, dass nahezu in jeder Außenstelle und in der Zentrale Selektoren für die eigene Steuerung des BND kreiert und eingestellt wurden. Die Zuordnung zu relevanten Phänomenbereichen scheint eher
willkürlich erfolgt zu sein. Insbesondere war nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage und mit welchem

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Spiegel Online vom 15. Oktober 2015 „BND spionierte europäische und US-Ziele aus“, abrufbar unter http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bnd-spionierte-usa-und-andere-partnerlaender-aus-a-1057851.html
U. a. D. B., Protokoll-Nr. 112 I, S. 27; B. R., Protokoll-Nr. 126 II – Auszug offen, S.168 f.
B. R., Protokoll-Nr. 126 II – Auszug offen, S. 49

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