Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1615 –
Drucksache 18/12850
HABEN [die Mitgliedstaaten der EU] BESCHLOSSEN, eine Europäische Union zu
gründen“8731
Aber auch der NATO-Vertrag mit seiner Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand beinhaltet in besonderer
Weise den Ausdruck des völkerrechtlichen Prinzips von Treu und Glauben (good faith), wie es in Art. 26 der
Wiener Vertragsrechtskonvention niedergelegt ist. Hieraus ergibt sich unter den NATO-Partnern eine besondere LoyalitätsVerpflichtung in den zwischenstaatlichen Beziehungen, welcher die Steuerung der Regierungen der Vertragspartner widerspricht.8732
Sie stellt weiterhin einen Verstoß gegen das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten (Art. 2 Nr. 1 VNCharta) dar, da Regierungskommunikation genuiner Teil der inneren Angelegenheiten eines Staates (domaine réservée) ist.8733
Die Überwachung von ausländischen Botschaften in Deutschland stellte zudem einen direkten Verstoß gegen
das Völkerrecht dar. Gemäß Art. 27 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen
gestattet und schützt der Empfängerstaat den freien Verkehr für alle amtlichen Zwecke. Absatz 2 wird noch
deutlicher:
„Die amtliche Korrespondenz der Mission ist unverletzlich. Als „amtliche Korrespondenz“ gilt die gesamte Korrespondenz, welche die Mission und ihre Aufgaben betrifft.“
Das Abfangen der Kommunikation der ausländischen diplomatischen Vertretungen in der Bundesrepublik
stellte damit einen klaren Verstoß gegen den Wortlaut des Wiener Übereinkommens dar.
Es ist nicht abwegig, dass auch die Überwachung ausländischer diplomatischer Vertretungen im Ausland
durch den BND gegen das Völkerrecht oder das Völkergewohnheitsrecht verstieß.
2.
Kontrollfreier Raum der Technischen Aufklärung
Die Beweisaufnahme hat hinsichtlich der BND-eigenen Steuerung vergleichbare Defizite aufdecken können
wie in der Zusammenarbeit mit der NSA. Allerdings konnte der Ausschuss in diesem Zusammenhang deutlich
tiefer in die Materie vordringen, da den Mitgliedern auch Selektoren selbst vorgelegt wurden. Ob dies alle
rechtswidrig gesteuerten Selektoren waren, hat der Untersuchungsausschuss nicht überprüfen können. Vielmehr musste sich der Ausschuss auf die ihm unter besonderen Geheimschutzauflagen zugänglich gemachten
Unterlagen beschränken. Weitere Anhaltspunkte hatte zudem auch der Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) vom 7. Juli 2016 geliefert.8734
8731)
8732)
8733)
8734)
Präambel des Vertrags über die Europäische Union.
Vgl. auch: Gewinnung von Telekommunikationsinformationen durch ausländische Nachrichtendienste aus völkerrechtlicher Sicht,
WD 2 – 3000 – 083/13, S. 12.
Gewinnung von Telekommunikationsinformationen durch ausländische Nachrichtendienste aus völkerrechtlicher Sicht, WD 2 –
3000 – 083/13, S. 6.
Bundestagsdrucksache 18/9142