Drucksache 18/12850
– 1536 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
den USA bei Kenntnisnahme der Daten. Der BND stellte nur als „Carrier“ ein automatisiertes System der
Datendurchleitung zur Verfügung.8269
Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist Graulichs Auslegung abwegig und unhaltbar. Wie rechtsirrig Graulichs Einordnung ist, lässt sich in der fundierten rechtlichen Bewertung der BfDI über den Kontrollbesuch in Bad Aibling nachlesen.8270
Auch die ehemalige Leiterin des Rechtsreferats (601) der Abteilung 6 im Kanzleramt, die Zeugin Christina
Polzin, lehnte Graulichs Auffassung ab:
„Also, ehrlich gesagt habe ich diese Rechtsmeinung von Herrn Grau-lich bisher nicht
in dieser Ausführung gekannt. Wenn Sie mich dazu fragen, finde ich das kreativ. Ich
glaube, ich würde mich jetzt spontan dieser Rechtsauffassung ehrlich gesagt nicht anschließen, weil ich immer noch der Meinung bin, dass Daten, personenbezogene oder
personenbeziehbare Daten, die wir in Deutschland erheben, hier unserem Rechtsregime unterliegen und natürlich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hier
eine Rolle spielt. Deswegen würde ich jetzt spontan diesen Weg nicht sofort mitgehen.
(…) Aber er ist auf jeden Fall kreativ.“8271
Das Ergebnis von Graulichs Untersuchung beweist letztlich, dass alle Schwüre, die NSA würde sich in
Deutschland an geltendes Recht halten, falsch und gelogen waren und die NSA vertragsbrüchig war.
bbb) Graulichs blinde Flecken und Kurzschlüsse
Graulich bewertete das Ergebnis in seinem Bericht als „qualitativ gravierende Verstöße durch die NSA“.
Quantitativ läge die Zahl der Vertragsverletzungen jedoch nur im Promillebereich.8272 Inwiefern solche Aussagen über die Quantität zutreffen, konnte Graulich zu diesem Zeitpunkt und aufgrund der Anlage der Untersuchung gar nicht seriös beurteilen. Die aussortierten NSA-Selektoren spiegelten mit Stand 4. März 2015
den damaligen Problemhorizont des BND wieder. Zum einen kennen wir nicht die genauen Herausnahmekriterien insbesondere von August 2013, außer dass nach Zeugenaussagen nach bestimmten E-Mails-Domains von Regierungsstellen europäischer Staaten gesucht worden sein soll. Graulich beschrieb die Kriterien
in seiner Aussage vor dem Ausschuss als „Regierungsadressen von europäischen Regierungen, von EU-Einrichtungen und Parlament, also Abgeordneten.“8273
Dass die Suchkriterien umfassend und ausreichend waren, ist nach Kenntnis der BND-eigenen Selektoren,
die der Ausschuss einsehen konnte, zu bezweifeln, da sehr unterschiedliche recherchierbare Begriffe in den
E-Mails-Domains verwendet werden können. Die in den Medien wiedergegebenen Begriffe wie „diplo“,
„gov“ und „Bundesamt“, nach denen in Bad Aibling Mitte August 2013 in den NSA-Selektoren gesucht
8269)
8270)
8271)
8272)
8273)
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 193 f.
siehe unter 1.A.I.2.b), zitiert nach netzpolitik.org, https://netzpolitik.org/2016/geheimer-pruefbericht-der-bnd-bricht-dutzendfachgesetz-und-verfassung-allein-in-bad-aibling/, abgerufen am: 30. Mai 2017.
Polzin, Protokoll-Nr. 72 I, S. 158.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 211.
Graulich, Protokoll-Nr. 69 I, S. 98.