Drucksache 18/12850
– 1534 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
den übrigen 15.000 Selektoren, die zwischen 2005 und Sommer 2013 aussortiert wurden, sind vor allem
solche, die vor der Verwendung ausgefiltert wurden, weil z. B. der „G 10“-Filter anschlug.
Welche Selektoren im Einzelnen auf der Liste standen, hat der Ausschuss nicht erfahren. Nicht einmal welche
Staaten und welche EU-Institutionen betroffen waren. Die Bundesregierung hat Graulich für die Erstellung
der offenen und streng geheim eingestuften Fassungen des Berichts,8257 die dem Ausschuss übermittelt wurden, Vorgaben gemacht, die eine konkrete Darstellung untersagten. Selbst in der streng geheim eingestuften
Fassung finden sich keine genauen Angaben zu den Selektoren.
aaa) Spionage gegen Regierungsstellen von EU-Staaten und Einrichtungen der EU sowie
G 10-Verstöße
Das von Graulich festgestellte Ergebnis hinsichtlich der NSA-Selektoren ist verheerend sowohl für die NSA
als auch für den BND.
Ca. 70 Prozent der aussortierten 40.000 NSA-Selektoren betrafen nach Graulichs Feststellungen Regierungsstellen von EU-Staaten und EU-Stellen.8258 Für diese Selektoren gibt Graulich an, dass sie zu 99 Prozent
auch tatsächlich „gesteuert“ waren, also für die Erfassung genutzt wurden, und fast alle „langfristig“.8259 Das
erklärt sich daraus, dass diese Kategorie von Selektoren bis August 2013 vom BND nicht beanstandet und
deshalb auch nicht herausgefiltert worden war.
Rund 25 Prozent der aussortierten Selektoren betrafen Deutschland zugeordnete Telekommunikationsmerkmale (TKM) und Deutsche im Ausland (auch EU); der kleine Rest betraf Nicht-Deutsche und ausländische
juristische Personen im Ausland.8260
Selbst die Selektoren von Teilnehmer_innen in Deutschland oder mit deutschen TKMs, deren gezielte Erfassung durch die Vereinbarung im MoA ausgeschlossen war, wurden zu knapp einem Drittel tatsächlich aktiv
gesteuert – wenn auch überwiegend nur kurzfristig.8261 Das zeigt, dass der „G 10“-Filter offenbar nicht hinreichend funktioniert hat. Die Verwendung dieser Selektoren stellt in jedem Fall eine Grundrechtsverletzung
dar.
Die Darstellung der Ausschussmehrheit in ihrer Bewertung ist zu diesem Punkt unzutreffend und irreführend,
sofern sie bezogen auf die Gesamtmenge der aussortierten NSA-Selektoren behauptet, „dass der ganz überwiegende Teil abgelehnter Selektoren nie aktiv für die Erfassung genutzt wurde. Etwa 21 % waren kurzfristig, nur 10 % länger gesteuert.“8262 Ausweislich Graulichs Bericht8263 bezieht sich dies wie oben dargestellt
auf die aktive Steuerung deutscher Telekommunikationsmerkmale (ca. ein Drittel). Im Ergebnis muss man
8257)
8258)
8259)
8260)
8261)
8262)
8263)
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2 (offene Fassung); MAT A SV-11/1 (Tgb.-Nr. 43/15 – STRENG GEHEIM, nur zur Einsicht in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages).
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 172; der Anteil bei den TKMs beträgt 62 Prozent Regierungsstellen
der EU-Staaten und 7 Prozent EU-Stellen, ebd., S. 174.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 181 f.; „kurzfristig“ definiert Graulich im Gegensatz dazu als zwischen 7 und 100 Tagen gesteuert, ebd., S. 175.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 172.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 176.
Bewertung der Ausschussmehrheit, Dritter Teil, C.II.5.d), S. 1328.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 176.