Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1533 –
Drucksache 18/12850
In einer späteren Vernehmung, als die NSA-Selektoren-Problematik aufgedeckt war, entschuldigte T. B.
seine Aussage mit falschen Erinnerungen: „Das war zu diesem Zeitpunkt nach meiner Erinnerung reine Theorie.“8251 „Also, es war zu diesem Zeitpunkt meine Überzeugung, dass es ein fiktives Beispiel gewesen
wäre.“8252 (Zur Vertuschung der NSA-Selektoren-Problematik im Sommer 2013 siehe unter c).)
Aber auch die oben zitierte Aussage des Zeugen T. B. von November 2014 zur angeblich umfassenden Prüfung der NSA-Selektoren vor der Einstellung in die Erfassungssysteme nicht nur auf „G 10“ sondern auf
„rechtliche Interessen“ und „Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ entsprach nicht der Wahrheit. Wie
wir festgestellt haben, gab es bis März 2015 außer der „G 10“-Prüfung keine systematische Kontrolle der
NSA-Selektoren auf deutsche Interessen, insbesondere nicht auf EU-/NATO-Bezüge (siehe hierzu detailliert
unter d)).
cc)
Ergebnis der NSA-Selektoren-Untersuchung durch Graulich
Die Bundesregierung weigerte sich aus Staatswohlgründen, dem Ausschuss die Liste der ca. 40 000 vom
BND als unzulässig aussortierten NSA-Selektoren vorzulegen. Anstelle der Vorlage setzte die Bundesregierung den ehemaligen Bundesverwaltungsrichter Kurt Graulich als „Sachverständige Vertrauensperson“ ein,
die die NSA-Selektoren sichten und bewerten sollte. Die Opposition hat dieses Verfahren abgelehnt und
bestand auf eine eigene Inaugenscheinnahme der Selektoren. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht
scheiterte bedauerlicherweise (zur grundsätzlichen Kritik an der Verweigerung und am Verfahren siehe Kapitel I – Bewertungen und Anmerkungen zum Verfahren dort g), h), i)).
Graulich hat bei seiner Untersuchung eine Liste der vom BND seit 2005 bis zum 4. März 2015 aussortierten
NSA-Selektoren vorgelegen. Sie soll 39 082 Selektoren umfasst und 2 918 Telefonie-Selektoren und 36.164
Internet-Selektoren enthalten haben. 8253 Darüberhinaus betrachtete Graulich eine Liste aus dem Jahr 2005
mit den bereits erwähnten 73 Telefonnummern zu EADS und Eurocopter sowie eine weitere im BND nachträglich gefundenene Liste mit 444 Selektoren aus dem Zeitraum November 2006 bis März 2008.8254 Sie
addierten sich jedoch nicht vollständig zu den knapp 40 000 Selektoren hinzu, da sie teilweise in ihnen enthalten waren (offenbar hatte die NSA sie erneut dem BND geliefert).
Die knapp 40 000 Selektoren betrafen wegen der Permutationen bei IP-Selektoren über 7 000 verschiedene
Telekommunikationsmerkmale (TKM).8255
Von den knapp 40 000 NSA-Selektoren hat der BND ungefähr 25 000 im Sommer 2013 aussortiert.8256 Wir
gehen daher davon aus, dass wenigstens diese 25 000 Selektoren tatsächlich für die Erfassung von Telekommunikation verwendet wurden, sie also aktiv geschaltet waren. Denn sie wurden erst unter Anwendung des
neuen Kriteriums EU-Regierungen und EU-Institutionen herausgesucht, ein Kriterium, das es für die händische und automatisierte Prüfung vorher nicht gab. Das deckt sich auch mit den Befunden von Graulich. Unter
8251)
8252)
8253)
8254)
8255)
8256)
T. B., Protokoll-Nr. 59 I, S. 75.
T. B., Protokoll-Nr. 59 I, S. 91.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 101.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 127.
Vgl. Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 205.
Frankfurter Allgemeine Zeitung Online vom 8. Mai 2015, „BND lehnte sogar 25.000 Suchanfragen ab“, http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/bnd-lehnte-sogar-25-000-suchanfragen-der-nsa-ab-13583069.html, abgerufen am 18. Juni 2017.