Drucksache 18/12850

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

BND und Kanzleramt haben dies erkannt, aber es unterlassen, das Problem gegenüber der G 10-Kommission,
dem Parlamentarischen Kontrollgremium oder dem Gesetzgeber anzuzeigen, um eine Rechtsänderung herbeizuführen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1999 zur strategischen Fernmeldeaufklärung muss es BND und Kanzleramt klar gewesen sein, dass zumindest für Erfassungen des BND in
Deutschland wegen der Betroffenheit des Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 GG eine eigene Rechtsgrundlage erforderlich gewesen wäre.
Eine Rechtsänderung war auf Seiten des BND gar nicht gewollt, um so die Erfassung von „Routineverkehren“, wie sie der BND verharmlosend bezeichnet, in einem kontrollfreien Bereich ungestört weiterführen zu
können.
Durch die Kooperationsvereinbarung mit der NSA, bei der es um das Geschäft US-Technik und Know-how
gegen Daten aus dem Telekom-Knoten in Frankurt am Main ging, hat sich der BND derart abhängig gemacht,
dass ein Aufrechterhalten der Zusammenarbeit um nahezu jeden Preis verfolgt wurde, auch unter Inkaufnahme extremer rechtlicher und politischer Risiken bis hin zu verfassungswidrigem Handeln durch Grundrechtsverstöße und einer massiven Beschädigung aller beteiligten staatlichen Instutionen und der Deutschen
Telekom.
BND und Bundeskanzleramt haben die G 10-Kommission vorsätzlich getäuscht. Den eigentlichen Anlass für
die damalige G 10-Anordnung haben sie gegenüber der Kommission bewusst verschwiegen. Die G 10-Anordnung wurde als „Türöffner“ missbraucht, um an die eigentlich gewollten Auslandsverkehre für die Operation EIKONAL in Kooperation mit der NSA zu gelangen. Diese TK-Verkehre wurden dann jenseits des
Rechts erfasst, verarbeitet und an die NSA übermittelt – sie wurden gerade nicht unter den besonderen
Schutzstandards behandelt, die das Artikel 10-Gesetz vorsieht.
Der BND befürchtete bei Bekanntwerden der Operation EIKONAL und des täuschenden Vorgehens sogar
ein Moratorium für die G 10-Erfassung insgesamt. Die handelnden Personen bis in die Spitze des BND wussten, was sie taten und riskierten. Es durfte bloß nichts rauskommen und öffentlich werden. Tarnen, Täuschen
und Vertuschen war angesagt, denn die ganze Operation einschließlich der erschlichenen Scheinlegitimation
durch die G 10-Kommission war unzulässig und rechtswidrig. Das hat die Beweisaufnahme zweifelsfrei ergeben. Die Vorsätzlichkeit des Vorgehens und das schlechte Gewissen des BND finden sich in den Akten
mehrfach dokumentiert. Die rechtlichen Bedenken, die es im BND und Kanzleramt an verschiedenen Stellen
auf der Arbeitsebene gab, wurden unter voller Kenntnis durch Entscheidungen des BND-Präsidenten Hanning und des Abteilungsleiters 6 im Kanzleramt Uhrlau vom Tisch gewischt, offensichtlich mit politischer
Rückendeckung.
Die Operation wurde über Jahre trotz aller Bedenken und Befürchtungen fortgesetzt. Das Parlamentarische
Kontrollgremium wurde über diese nicht informiert und durfte offensichtlich nichts erfahren. Die Handelnden blieben von jeder Konsequenz verschont, auch als die Operation offiziell bekannt und öffentlich im Untersuchungsausschuss sowie in den Medien breit erörtert wurde. Niemand wurde zur Rechenschaft gezogen.
Es scheint, es waren zu viele informiert und involviert – oder irgendwer hat seine schützende Hand über sie
gehalten.

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