Drucksache 18/12850
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Datenaustauschpunkt übergeben. Der BND ist eine im Inland ansässige Behörde und voll grundrechtsgebunden.7895 Es lässt sich rechtlich keinerlei Begründung dafür finden, die Grundrechtsgeltung innerhalb der Bundesrepublik zu relativieren.
ccc) Dynamischer Grundrechtsschutz – Globalisierung der Kommunikation
Technische Neuerungen haben die Telekommunikationsinfrastruktur grundlegend verändert.
„Ob bei dem Transportvorgang nur Knotenpunkte in Deutschland passiert werden,
steht nicht von vornherein fest und ist jedenfalls für den Nutzer nicht vorhersehbar.“7896
„Zu beachten ist dabei, dass die Inhalte auch bei einer rein innerdeutschen Kommunikation über das Ausland versandt worden sein können.“7897
Grundrechtsschutz muss dynamisch gefasst werden. Das G 10-Urteil von 1999 ist vor der Gründung von
Facebook und der großflächigen Einführung von Voice-over-IP gefällt worden. Mit Blick auf die Digitalisierung hat das BVerfG den Persönlichkeitsschutz mehrmals neu konkretisiert, und die Rechtsprechungslinien lassen sich auf Art. 10 GG übertragen. Das Fernmeldegeheimnis lässt Raum für zeitlich modifizierte
Auslegung und muss mit technischen Veränderungen Schritt halten. Davon geht auch der ehemalige Richter
Papier aus, der 1999 beim Karlsruher G 10-Urteil mitgewirkt hatte.
„Moderne Technologien erlauben indes auch Zugriffe der deutschen öffentlichen Gewalt auf ausländische Fernmeldeverkehre, selbst mit Überwachungsanlagen, die auf
dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stationiert sind. Daher stellt sich die
Frage nach der territorial-räumlichen Geltungskraft des Grundrechts aus Art. 10 GG
mit aller Dringlichkeit.“7898
Bertold Huber beschrieb ein Festhalten an einer räumlichen Begrenzung als ignorante „überholte verfassungsrechtliche Mehrheitsmeinung des letzten Jahrhunderts“, die den „rechtspolitisch gebotenen Herausforderungen nicht gerecht“ wird.7899 Der Sachverständige Wolfgang Hoffmann-Riem verortete den grundrechtlichen Schutzzweck in der menschlichen Entfaltungsfreiheit.
„Die global organisierte Realität wäre sonst geeignet, den Freiheitsschutz weitgehend
auszuhebeln. Deshalb bedarf es auch neuer Ansätze für rechtlichen Schutz. Das Bun-
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Bertold Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungswürdig?, in: ZRP 2016, S. 162 (164); ders., Die strategische
Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in: NJW 2013, S. 2572 (2575).
Hoffmann-Riem, MAT A SV-2/1-neu, S. 10, vgl. auch Argumentation eines Beschwerdeführers im G 10-Verfahren 1999, in:
BVerfGE 100, 313-403, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 57.
Bäcker, MAT A SV-2/3, S. 11.
Vgl. Hans-Jürgen Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ –
Extra 15/2016, S. 1 (5), abrufbar unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016_15.pdf.
Bertold Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungswürdig?, in: ZRP 2016, S. 162 (166).