Drucksache 18/12850

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Artikel 10-Gesetz aus dem Jahr 1999 heran, um
aufzuzeigen, dass dem BND hierin die Möglichkeit der grundrechtsfreien Auslandserfassung explizit offen
gehalten worden wäre. Diese Auffassung sollte ihre Legitimität wiederum aus der geübten Praxis schöpfen:
„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1999 sagt dazu: Es bedarf hier keiner
Entscheidung über den Grundrechtsschutz des Ausländers im Ausland. […] Das hat
es offengelassen, natürlich. Das ist eine Auslegungsfrage. […] Na ja, es hätte ja die
Gelegenheit gehabt, es anders zu entscheiden.“7882
Diese Frage war auch nach Aussagen von Herrn Papier, der damals als Richter an der Entscheidung beteiligt
war, gar nicht entscheidungsrelevant in dem besagten Urteil.7883 Bezüglich des nicht-deutschen Klägers im
Ausland mangelte es ihm in seiner Gehilfenstellung schon an der eigenen Betroffenheit, er hörte nur den
Anrufbeantworter einer anderen Klägerin ab, weswegen seine Klage gar nicht materiell geprüft wurde.7884
Der Schwerpunkt der Argumentation muss auf der Grundrechtsbindung staatlicher Gewalt nach Art. 1 Abs. 3
GG liegen.7885 Eine Beschränkung im Ausland ist nur für begründete Ausnahmefälle denkbar, in denen die
Bundesregierung im Ausland ihre volle Staatssouveränität nicht ausüben kann oder durch internationale Verpflichtungen in ihren Handlungsoptionen eingeschränkt ist. Das ist aber für die Auslandsüberwachung nicht
der Fall.7886 Völkerrechtliche Normen selbst schützen das Fernmeldegeheimnis.7887 Bäcker folgert:
„Weder das Grundgesetz noch das Völkerrecht hindern den Gesetzgeber generell, die
extraterritoriale Tätigkeit deutscher staatlicher Stellen zu regeln. Da Grundrechtseingriffe nur auf formellgesetzlicher Grundlage zulässig sind, ist eine solche Regelung
vielmehr sogar verfassungsrechtlich geboten, wenn deutsche Stellen im Ausland in
Grundrechte eingreifen sollen.“7888
bbb) Grundrechtsschutz bei deutschem Abgriffspunkt
Ein Schutz des Fernmeldegeheimnisses ist nach überzeugender Ansicht zumindest dann anzunehmen, wenn
ein Inlandsbezug der Maßnahmen besteht. Spätestens wenn Daten im Inland erhoben oder verarbeitet werden,
ist nach richtiger Auffassung durch diese territoriale Verknüpfung genügend Anlass für eine volle Grundrechtsbindung gegeben. Einen solchen Bezug hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), unter Beteiligung

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Dr. Burbaum, Protokoll-Nr. 24 I, S. 77.
Vgl. Hans-Jürgen Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ –
Extra 15/2016, S. 1 (11), abrufbar unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016_15.pdf; Bertold Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in: NJW 2013, S. 2572
(2574); die Ausführungen im G 10-Urteil sind inhaltlich als Beschreibung einzuordnen, jedoch innerhalb des Urteils missverständlich platziert und legen damit überschießende Fehlinterpretationen nahe, das Gericht führt jedoch zugleich aus, dass die wiedergegeben BND-Darstellungen seitens der Kläger_innen „nicht substantiiert“ infrage gestellt wurden, vgl. BVerfGE 100, 313,
https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 230.
Vgl. BVerfGE 100, 313, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 165; Johannes Caspar, Strategische Auslandsüberwachung – Jenseits der Grenze des Rechtsstaats?, in: PinG 2014, H. 1, S. 4.
Vgl. Hans-Jürgen Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ –
Extra 15/2016, S. 1 (3), abrufbar unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016_15.pdf.
Vgl. Bäcker, MAT A SV 2/3, S. 20 f; Johannes Caspar, Strategische Auslandsüberwachung – Jenseits der Grenze des Rechtsstaats?,
in: PinG 2014, H. 1, S. 4. mit weiteren Verweisen; Bertold Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes
– Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in: NJW 2013, S. 2572 (2575); unabhängig davon ist die Frage der Schutzpflichten.
Vgl. Bäcker, MAT A SV 2/3, S. 21 f.
Bäcker, MAT A SV 2/3, S. 22.

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