Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
cc)
– 1453 –
Drucksache 18/12850
Rechtsgrundlagen
Rechtlich brauchen der BND und auch die Telekom jeweils eigene Rechtsgrundlagen für das Eingehen der
Zusammenarbeit. Maßgebliche Gesetze sind insbesondere Artikel 10-Gesetz, Telekommunikationsgesetz
(TKG) und Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Da sich die Kund_innen eines Telekommunikationsunternehmens regelmäßig nicht mit der Übermittlung ihrer Kommunikationsdaten an Dritte, insbesondere an Geheimdienste, einverstanden erklärt haben und sie regelmäßig keine Kenntnis davon erlangen, stellt das Abgreifen
und Ausleiten von Telekommunikationsverkehren einen Grundrechtseingriff dar, der in jedem Einzelfall spezialgesetzlich gerechtfertigt sein muss. Hierfür sehen das Artikel 10-Gesetz für den BND und das TKG
i. V. m. mit der TKÜV für die Telekommunikationsanbieter jeweils bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlagen vor.
b)
Abgriff durch den BND
Der BND ließ sich ab 2004 in Frankfurt abgegriffene und als Duplikat von der Telekom ausgeleitete Rohdatenströme übermitteln, ohne dies auf eine spezialgesetzliche Rechtsgrundlage, wie etwa das Artikel 10-Gesetz, zu stützen. BND-Mitarbeiter_innen leiteten die Befugnis für den Abgriff aus den einleitenden Überblicksnormen des BND-Gesetzes her, in denen die Aufgaben des BND und seine Überwachungszuständigkeiten geregelt sind (§§ 1, 2 BNDG).7852 Diese erfüllen jedoch nicht die verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Voraussetzungen, die das grundgesetzlich geschützte Fernmeldegeheimnis an eine gesetzliche Ermächtigung stellt. Ein Abgriff auf Grundlage dieser Normen ist in den Worten des Sachverständigen Hans-Jürgen
Papier ein „andauernder Verfassungsbruch“.7853
Der BND diskutierte die Notwendigkeit einer neuen gesetzlichen Grundlage, vor allem mit Hinblick auf IPVerkehre, scheute aber vor der Unberechenbarkeit einer parlamentarischen Entscheidung zurück, die auch
die Ablehnung neuer Überwachungskompetenzen zum Ergebnis hätte haben können. Er begab sich stattdessen in das Risiko rechtlich nicht-abgesicherter Datenausleitungen.
Die Debatte gewinnt vor dem Hintergrund der strategischen Fernmeldeaufklärung im Ausland zusätzlich an
Brisanz. Der Zeuge Reinhard Breitfelder war zu Beginn der Operation EIKONAL im BND Abteilungsleiter
der damaligen Abteilung 2, die später in Technische Aufklärung umbenannt wurde. Er sagte aus, dass keine
Notwendigkeit einer Befugnisnorm für Fernmeldeüberwachung im Ausland bestehe:
„Wenn ich das hier, was ich in Deutschland gemacht hätte, im Ausland gemacht hätte,
hätte es keiner Genehmigung bedurft.“7854
Der BND-Zeuge, Herr A. S., war als Referent in der Kabelerfassung zuständig für den technischen Aufbau
der sogenannten Erfassungsköpfe der Datenausleitung. Vor dem Ausschuss beschrieb er die Anfänge der
internationalen Kabelerfassung:
7852)
7853)
7854)
§ 1 BNDG in der Fassung vom 20. Dezember 1990; § 2 BNDG in den Fassungen vom 9. Januar 2002 und vom 5. Januar 2007.
Hans-Jürgen Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ – Extra
15/2016, S. 1 (6), abrufbar unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016_15.pdf.
Breitfelder, Protokoll-Nr. 28 I, S. 78, vgl. auch S. 65.