Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/12850

Diese beiden, je Parlamentsbeteiligung auslösenden Voraussetzungen können nebeneinander zugleich erfüllt
sein.7839
Das MoA regelt machtpolitische Beziehungen des Bundes im Sinne der Alternative 1 dieser Norm: nämlich
ein sicherheitspolitisches Bündnis mit den USA zur gemeinsamen Telekommunikationsüberwachung in
Deutschland (Bad Aibling, Frankfurt u. a.) sowie von dort mit Wirkung im Ausland, etwa erklärtermaßen in
Afghanistan zum Schutz deutscher und US-amerikanischer Truppen dort. Damit bereits erfüllt das MoA
selbst die enge – oft als zu eng und überholt kritisierte7840 – historische Interpretation dieser Voraussetzung
durch das Bundesverfassungsgericht.7841
Darüber hinaus könnte man erwägen, ob die Bundesregierung durch Abschluss des MoA den USA sogar
partiell deutsche Hoheitsgewalt übertrugen im Sinne dieser engen BVerfG-Auslegung: nämlich indem der
NSA aufgrund des MoA gestattet wurde, de facto unkontrolliert eigene Selektoren in die hiesige TK-Überwachung einzuspeisen, den BND anwenden zu lassen und die so gewonnenen Erkenntnisse – mutmaßlich
ebenso unkontrolliert über ihr Wiesbadener „European Technical Center“ – auszuleiten und zu nutzen.
bbb) Das MoA als Bundesgesetz-inhaltlicher Vertrag
Daneben bezieht sich das MoA auch auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung im Sinne des Art. 59 Abs. 2
S. 1 Alternative 2 GG. Denn das MoA hatte seit jeher u. a. die vorgenannten Praktiken zum Ziel und Gegenstand, darüber hinaus – wie oben dargelegt – auch den intendierten und durchgeführten Datenzugriff auf den
Frankfurter Netzknoten der Deutschen Telekom AG. Diese kooperative Erfassung und Verarbeitung jener
Daten durch BND und NSA hätte aber real nach deutschem Recht jeweils verfassungsfester gesetzlicher
Aufgaben- und Befugnisnormen bedurft. Diese bestanden jedoch zumindest bei Unterzeichnung und Durchführung des MoA ab 2002 nicht.7842 Dies hat auch die Bundesregierung offenbar erkannt und eingeräumt
durch die entsprechende – allerdings misslungene und immer noch verfassungswidrige7843 – Novellierung
des BND-Gesetzes erst zum Ende 2016.
bb)

Fazit: BND und NSA kooperierten ohne formell wirksame Grundlage

Politisch ist die Unterlassung der Bundesregierung, eine entsprechende Befassung und Entscheidungsmöglichkeit des Bundestages über das MoA vermieden zu haben, nachdrücklich zu kritisieren. Dies umso mehr,

7839)
7840)
7841)

7842)
7843)

Vgl. nur Maunz/Dürig/Nettesheim, 78. Ergänzungslieferung September 2016, GG Art. 59, Rn. 103 mwN.
Vgl. nur Maunz/Dürig/Nettesheim, 78. Ergänzungslieferung September 2016, GG Art. 59, Rn. 101 mwN; Pieper in BeckOK
GG/Pieper, [32. Ed. 1. März 2015], GG Art. 59, Rn. 31.1; kritisch auch das Minderheitsvotum von gleich vier Verfassungsrichtern
in BVerfGE 90, 286 unter C.III.4, http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv090286.html dort Rn. 298.
BVerfGE 1, 372 (381) vom 29.7.1952; BVerfGE 90, 286 (359), http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv090286.html; immerhin rechnet
auch das BVerfG eine Fülle von Vertragstypen zu solch politischen Verträgen: Zu politischen Verträgen in diesem Sinne werden
insbesondere Bündnisse, Garantiepakte, Abkommen über politische Zusammenarbeit, Friedens-, Nichtangriffs-, Neutralitäts- und
Abrüstungsverträge, Schiedsverträge, Grenzverträge sowie Verträge über den Verzicht auf die Ausübung oder die Übertragung von
Hoheitsgewalt, ja sogar Doppelbesteuerungsabkommen; vgl. Nachweise und Überblick bei Maunz/Dürig/Nettesheim, 78. Ergänzungslieferung September 2016, GG Art. 59, Rn. 99 sowie Pieper in BeckOK GG/Pieper, [32. Ed. 1. März 2015], GG Art. 59, Rn.
31.
Vgl. nur das Gutachten Prof. Papier (NVwZ Extra 16/2016 und in https://netzpolitik.org/2016/ex-praesident-des-bundesverfassungsgerichts-bnd-zugriff-auf-internet-knoten-wie-de-cix-ist-insgesamt-rechtswidrig/); sowie die Sachverständigengutachten von
Hoffmann-Riem, MAT A SV-2/1neu; Papier, MAT A SV-2/2; Bäcker, MAT A SV-2/3.
Vgl. die Kritik der Sachverständigen auf der Anhörung im Bundestag im September 2016: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Geheimakte-BND-NSA-Ansaetze-fuer-eine-demokratische-Geheimdienstkontrolle-3703988.html?artikelseite=all.

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