Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1445 –

Drucksache 18/12850

Die Bundesregierung unterrichtete den Bundestag von den Ausmaßen dieser Überwachung pflichtwidrig
nicht.
bb)

Bundesregierung täuschte Bundestag über Erfassungen am Frankfurter Kabelknoten der Deutschen Telekom sowie über Weitergabe dort gewonnener Daten an die
NSA

Wir haben – ohne dies aus geheimen Akten spezifizieren zu dürfen – Anlass zu der Annahme, dass die Bundesregierung dem Bundestag die Kommunikations-Erfassungen am Frankfurter Kabelknoten der Deutschen
Telekom sowie die Weitergabe dort gewonnener Daten an die NSA nicht nur verschwieg, sondern den Bundestag darüber richtiggehend täuschte, z. B. dessen G 10-Kommission.7829 So konnte der Bundestag nicht die
Dimension dieser u. E. rechtswidrigen Praxis erkennen.
Selbst wenn es z. B. an diesem Kabelknoten zu einem brisanten Vollzugriff des BND auf sämtliche dort
durchfließenden Telekommunikationsverkehre gekommen wäre (sogen. „Full Take“), etwa um die Werthaltigkeit und Zusammensetzung dieser Verkehre in der Frühphase vor Beginn dieses Überwachungsvorhaben
zu analysieren, dann hätte die Bundesregierung gewiss immer noch keinen Anlass gesehen, den Bundestag
und die BfDI hiervon zu unterrichten, also in welche Richtung diese Praxis sich entwickeln kann.
e)

Rechtliche und politische Bewertung des MoA

Für die stattgefundene Datenerfassung von BND und NSA sowie deren Übermittlung untereinander konnte
nur deutsches Recht der Maßstab und Grundlage sein, also nicht etwa verdrängend das MoA.
Dieses verkannte u. a. der BND-Zeuge R. U., ehemaliger Dienststellenleiter von Bad Aibling, der das MoA
als eigentliche Rechtsgrundlage für Datenübermittlungen des BND an die NSA erachtete:
auf Frage des Abgeordneten Burkhard Lischka: „Auf welcher Rechtsgrundlage werden eigentlich die Daten weitergeleitet an die USA?“
R. U.: „Basierend auf dem MoU, das 2002 geschlossen wurde.“7830
Dies verkannte ebenso die Vertrauensperson der Bundesregierung, Graulich, die in ihrer Stellungnahme das
MoA einordnete als einen „Durchleitungsvertrag“ mit einer „abdrängenden Verantwortlichkeit“, nämlich
dass die datenschutzrechtliche Verantwortung für (…) die Rechtmäßigkeit der Erhebung, die Zulässigkeit
der Eingabe sowie die Richtigkeit oder Aktualität der Daten, (…) für den Betrieb der Anlage und den gesteuerten Inhalt, nämlich die Selektoren (…) deren jeweiligen Urhebern“ allein obliege: also insoweit allein der
NSA.7831
Zum Rechtscharakter des MoA im Übrigen urteilte der ehemalige BND-Präsident Schindler, dass

7829)
7830)
7831)

Vgl. gesonderte Darstellung dazu in Abschnitt V.4 – G10-AO als Türöffner.
R. U., Protokoll-Nr. 14 I, S. 19.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 80.

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