Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/12850

Zeugen des BND vermuteten, dass mit der Auflösung der JSA 2012 auch die US-Seite keine eigene Qualitätskontrolle mehr betrieb. Dies muss auch aus Sicht der NSA ein schweres Versäumnis gewesen sein, weil
der BND so Kenntnis einer Vielzahl von Selektoren des allgemeinen Erfassungsprofils der NSA erlangen
und auswerten konnte, die nicht Gegenstand der gemeinsamen Kooperation hätten sein sollen. Dies dürfte
von Seiten der NSA angesichts der politischen Brisanz und den Bezügen zu EU-Staaten nicht beabsichtigt
gewesen sein. Die Prüfungen des BND beschränkten sich jedoch bis Mitte 2013 auf den G 10-Schutz, eine
darüberhinausgehende Prüfung „deutscher Interessen“, die insbesondere Ziele in EU- und NATO-Staaten
problematisierte, fand im Wesentlichen nicht statt.
Im Zuge der im Sommer 2013 durch den Unterabteilungsleiter (UAL) T2 veranlassten Prüfung waren zahlreiche problematische Selektoren deaktiviert worden. Der für die Selektoren verantwortliche UAL T2 unterrichtete nach der Prüfung den für den Betrieb der Erfassungsanlage in Bad Aibling zuständigen UAL T1 über
die Selektorenfunde und teilte mit, dass diese deaktiviert werden müssten. Eine weitere Berichterstattung an
die Abteilungs- oder Hausleitung durch den UAL T2 oder auch den UAL T1 unterblieb bis März 2015. Der
UAL T1 bedauerte, den Vorgang seinerseits nur oberflächlich wahrgenommen und die Kommunikation mit
Bad Aibling seinem Kollegen T2 überlassen zu haben. Vom Ausschuss umfassend mit dem Sachverhalt konfrontiert, stufte er diesen als „besonderes Vorkommnis“ ein, über welches er bei genauerer Kenntnis die
Leitung der Abteilung und des BND unterrichtet hätte.
Sowohl das Kanzleramt als auch der BND-Präsident sind so erstmals im März 2015 über die Liste bzw. die
darin enthaltenen problematischen Suchbegriffe informiert worden, die vor dem entsprechenden Beweisbeschluss des Ausschusses in dieser Form überhaupt noch nicht existierte. Aufgrund welcher Motive oder Erwägungen der UAL T2 keinen Bericht erstattete, konnte auch im Rahmen mehrfacher intensiver Zeugenvernehmungen nicht geklärt werden, da sich der UAL T2 insoweit auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berief.
Der Ausschuss kann weder nachvollziehen, dass der Präsident des BND durch den UAL T2 im Sommer 2013
über die Prüfung der NSA-Selektoren und ihrer Ergebnisse nicht unterrichtet wurde, noch, dass diese Prüfung
erst im Sommer 2013 umfassend erfolgte.
Der Inhalt der im März 2015 erstellten Liste unterfiel dem Untersuchungsauftrag, aber die Bundesregierung
sah sich aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten, den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses den
Einblick in die Liste zu verweigern. Hier überwogen auch aus Sicht des Ausschusses Staatswohlbelange und
Sicherheitsinteressen.
Stattdessen sichtete eine vom Ausschuss vorgeschlagene und von der Bundesregierung beauftragte unabhängige sachverständige Vertrauensperson, Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D. Dr. Graulich, diese
Suchbegriffe. Auch wenn es sich offiziell um einen Beauftragten der Bundesregierung handelte, genoss
Dr. Graulich jedenfalls das Vertrauen der Ausschussmehrheit und war von dieser benannt worden – ebenso
wie die von ihm zu untersuchenden Fragestellungen.
Die öffentliche Fassung des Berichts übertrifft in Umfang und Prägnanz alles, was die Bundesregierung bis
dahin der Öffentlichkeit über die Technische Aufklärung des BND zur Verfügung gestellt hat. Die Darstellung Dr. Graulichs korrespondiert mit den Zeugenaussagen zum Sachverhalt. Der Ausschuss macht sie sich
in ihren wesentlichen Zügen zu Eigen. Im Einzelnen hat der Sachverständige die rund 40.000 Selektoren

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