fons etc. auslesen. Auch der Übertragungsvorgang in die
Cloud oder aus der Cloud ist ein Telekommunikations‑
vorgang. Damit können die Ermittlungsbehörden nach
dem Wortlaut auch solche Informationen vom Zielrech‑
ner auslesen, die zwischenzeitlich bei einem der Dienste
gespeichert bzw. wieder zurückgeholt worden sind (z. B.
selbst verfasste Textentwürfe, Tagebücher, Fotos u.v.m.).
Man könnte also sagen, dass auf diese Weise ermöglicht
wird, auch die Kommunikation der überwachten Person
mit sich selbst zu erfassen. Dies gilt auch dann, wenn
der Vorgang schon lange abgeschlossen ist. Denn nach
dem Wortlaut genügt es ja, wenn die Daten Gegenstand
früherer Kommunikation waren.
Rechtssystematisch steht die neue Regelung als Er‑
hebung „alternativer Beweise“ für eine grundlegende
Zäsur. Sie führt die Figur des „hypothetischen Ersatz
eingriffs“ ad absurdum. Bislang ging es dabei um die
Verwertung bereits vorhandener Erkenntnisse aus einer
rechtswidrigen oder eingriffsintensiveren Maßnahme.
Damit soll die Verwertung bereits vorhandener Daten
verfassungskonform begrenzt werden. Die neue Rege‑
lung geht aber den umgekehrten Weg. Nunmehr soll
auch die zukünftige – eigentlich nicht zulässige – heim‑
liche Zwangsmaßnahme doch noch möglich gemacht
werden. Die Ermittlungsbehörde soll sie darauf stützen
dürfen, dass eine Maßnahme in der Vergangenheit mit
anderen rechtlich zulässigen Mitteln hypothetisch mög‑
lich gewesen wäre. Das gleicht einer Regelung, die in
etwa lautet: „Die Behörde darf Daten zur Not mit eigent‑
lich unzulässigen Mitteln erheben, die sie auf andere
Weise auch rechtmäßig hätte erheben dürfen“.
Aus meiner Sicht wäre es nicht nötig gewesen, für die
Quellen-TKÜ den gesamten Straftatenkatalog der „nor‑
malen“ Telekommunikationsüberwachung zu öffnen.
Angesichts der höheren Risiken dieser Maßnahme wäre
eine stärkere Eingrenzung zu bevorzugen gewesen.
Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings dieselben
Schranken bestimmt, wie sie allgemein für die Telekom‑
munikationsüberwachung gelten.
Auch zur Regelung der Online-Durchsuchung hatte
ich Empfehlungen geäußert. Abzulehnen ist etwa die
geplante Reichweite, mit der auch nicht verdächtige
Personen davon erfasst werden.
Für die Praxis ist zu befürchten, dass es zur „allgemei‑
nen Gefahrenabwehr“ etwa zu Kontrollmitteilungen
kommen könnte. Derartige Kontrollmitteilungen o. ä.
würden das austarierte System der Führungsaufsicht ge‑
fährden. Ebenso kann dies das Vertrauensverhältnis der
Bewährungshelfer zu ihren Probanden gefährden – und
damit letztlich auch den Erfolg der Resozialisierung.
11.1.4 Der Vorschlag für eine E-Evidence-Verordnung
Mit neuen Anordnungsmöglichkeiten soll die grenz
überschreitende Beweiserhebung grundlegend geändert werden. Dazu hat die Europäische Kommission mit
dem Entwurf einer E-Evidence-Verordnung einen Vorschlag gemacht. Diesen lehne ich in seiner gegenwärtigen Fassung ab, weil danach die Justizbehörden am Sitz
des Anbieters in der Regel nicht beteiligt werden und
damit eine wesentliche Verfahrenssicherung fehlt.
Wenn sich in einem Strafverfahren ein Beweismittel
im Ausland befindet, muss die ermittelnde Strafverfol‑
gungsbehörde dort um Rechtshilfe ersuchen. Sollte sich
an diesem Grundsatz im digitalen Zeitalter etwas än‑
dern, nur weil „elektronische Beweismittel“ ungeachtet
des physischen Ortes ihrer Speicherung bzw. territoria‑
ler Grenzen nunmehr global verfügbar werden?
Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag für
eine neue Verordnung vorgelegt, mit der die Strafverfol‑
gungsbehörden in den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union in strafrechtlichen Verfahren berechtigt wären,
Anbieter von Telekommunikations- und Internetdienst‑
leistungen in anderen Mitgliedstaaten der EU und in
Drittstaaten zur Übermittlung von Bestands-, Verkehrsund Inhaltsdaten zu verpflichten. Die Anordnungen wä‑
ren für alle Anbieter verbindlich, die ihre Dienste in der
EU anbieten. Sollte das Unternehmen keinen Sitz in der
EU haben, müsste es einen Repräsentanten bestimmen,
dem die Anordnung zugestellt werden würde.
Angesichts der beschriebenen gravierenden Änderun‑
gen sind die weiteren datenschutzrechtlich kritischen
Punkte der StPO-Novelle leicht zu übersehen: Dies
betrifft etwa Daten, die Bewährungshelfer jetzt leichter
an die Polizei übermitteln dürfen.
Ich habe Verständnis für das Anliegen der Kommission,
mit dem vorgeschlagenen Verfahren strafrechtliche
Ermittlungen beschleunigen zu wollen. Den Entwurf in
seiner jetzigen Fassung lehne ich jedoch gemeinsam mit
meinen Kollegen in den Ländern ab. Diese Position hat
die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichts‑
behörden des Bundes und der Länder in einer Entschlie‑
ßung vom 7. November 2018 verabschiedet (abrufbar
unter www.datenschutz.bund.de).
Schon nach alter Rechtslage durften diese in einer
Notsituation die Polizei informieren. Ohne Notsituation
In einer ausführlichen Stellungnahme hat auch der Eu‑
ropäische Datenschutzausschuss unter meiner Mitwir‑
Bewährungshelfer
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mussten sie zuerst die Führungsaufsichtsstelle beim
Gericht informieren, die dann den weiteren Informati‑
onsfluss steuerte. Der Weg, Daten direkt der Polizei zur
Verfügung zu stellen, ist jetzt leichter geworden.
Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2017 und 2018