Durch die vorgesehene Neufassung können die Daten
dagegen auch in den Informationssystemen der Polizei‑
behörden gespeichert werden. Dies impliziert bei exten‑
siver Auslegung eine übergreifende Speicherung und
birgt deshalb die Gefahr deutlich weitergehender und
damit verfassungsrechtlich unzulässiger Auswertungen.
Entgegen meinen Stellungnahmen in der Ressortab‑
stimmung wurden die mit der Änderung verbundenen
datenschutzrechtlichen Probleme nochmals verschärft.
Dort, wo das polizeiliche Datenschutzrecht derzeit noch
Grenzen setzt, könnte der geplante § 483 StPO künftig
gleichsam wie ein Generalschlüssel wirken. Dies betrifft
auch Menschen, die nach den Vorgaben des BKAG nicht
im Informationssystem gespeichert werden dürften.
Deren Daten können künftig in die Informationssysteme
der Polizeibehörden diffundieren, ohne dass Inhalt und
Umfang der Datenverarbeitung normenklar und verhält‑
nismäßig festgelegt wären. Das ist verfassungsrechtlich
nicht tragfähig.
Zweck einer Datei kann es entweder sein, eine konkrete
Aufgabe zu erfüllen oder für künftige Fälle auf Vorrat
zur Verfügung zu halten. Der bisherige § 483 StPO dient
nur für den erstgenannten Zweck. Er will den Ermitt‑
lungsbehörden ein Hilfsmittel für das jeweilige konkrete
Strafverfahren zur Verfügung stellen. Dort ist es auch
gerechtfertigt, größere Datenmengen zu speichern, weil
sie nicht auf Vorrat für die Zukunft vorgehalten werden.
Es geht nicht darum, den übergreifenden unbegrenzten
Austausch von Informationen zu ermöglichen. Wenn der
Gesetzentwurf dies nun ändert, dann schafft er einen
völlig neuen Zweck. Dann dienen die Daten auch der
Prävention, für die eigentlich speziellere Vorschriften
gelten – etwa die zum Informationsverbund nach dem
BKAG. Eine derart umfassende Vorratsspeicherung ist
nicht zu rechtfertigen.
V-Leute und Datenflüsse an Nachrichtendienste
Das Bundesverfassungsgericht hat den Einsatz von
Vertrauenspersonen als schwerwiegenden Grundrechts��
eingriff eingestuft. Deshalb sei eine hinreichend nor‑
menklare und bestimmte Rechtsgrundlage notwendig
(BVerfG NJW 2017, 1681, 1790, Rn. 160). Der StPO fehlt
seit langem eine entsprechende Vorschrift. Leider wird
jetzt die Gelegenheit versäumt, dies nachzuholen. Dies
ist nicht nur schlecht für den Datenschutz; es besteht
auch das Risiko, dass Beweise in Ermittlungsverfahren
wegen schwerwiegender Delikte nicht rechtssicher er‑
hoben werden können und am Ende einer verfassungs‑
rechtlichen Prüfung nicht standhalten.
Zu unbestimmt sind auch die Regeln über den Datenaus‑
tausch mit den Nachrichtendiensten. Dies betrifft zum
einen die Frage, wie von V-Leuten ermittelte Daten aus
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Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2017 und 2018
polizeilichen oder nachrichtendienstlichen Zusammen‑
hängen in den Strafprozess eingeführt werden sollen, sei
es als Beweismittel oder als Anknüpfungstatsache. Dafür
fehlt eine klare Erhebungsgrundlage auf Seiten der Straf‑
verfolgungsbehörden. Die Regelung für die umgekehrte
Richtung – in der Daten der Strafverfolgungsbehörde
an den Nachrichtendienst fließen – ist zu ungenau und
enthält keine ausreichenden Schwellen. Sie verweist
pauschal auf das Nachrichtendienstrecht. Übermitt‑
lungsschwelle sind lediglich „tatsächliche Anhaltspunkte
dafür (…), dass die Übermittlung für die Erfüllung der
Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich
ist.“ Das Bundesverfassungsgericht hat Übermittlungs‑
vorschriften, die das informationelle Trennungsprinzip
berühren, aber lediglich auf die Aufgabenerfüllung
abstellen, als nicht ausreichend angesehen (BVerfG NJW
2013, 1499, 1505 und 1518, Rn. 126 und 232). Der Grund‑
satz der hypothetischen Datenneuerhebung ist ebenfalls
nicht berücksichtigt (dazu vgl. 26. Tb, Kasten b zu 1.3.).
Ressortabstimmung
Die Ressortabstimmung zum Gesetzentwurf war von
besonderer Hektik geprägt. Für die Stellungnahme
wurden überkurze Tagesfristen eingeräumt. Eine
Beratung, an der alle beteiligten Ressorts und ich zu
einem offenen Gedankenaustausch zusammenkommen
konnten, hat nicht stattgefunden. Ich empfehle, in den
Gesetzgebungsverfahren zu einem ergebnisoffenen und
konstruktiven Dialog zurückzukehren. Meine Beratungs‑
aufgabe kann ich nur wahrnehmen, wenn ich ordnungs‑
gemäß beteiligt werde.
Ich empfehle, die Strafprozessordnung zu überarbeiten. Insbesondere sind die Erhebung und Nutzung
von Daten, die von V-Leuten aus polizeilichen oder
nachrichtendienstlichen Zusammenhängen ermittelt
wurden, im Strafprozess nicht normenklar geregelt. Die
Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzbehörden bedarf ohnehin einer engeren und präziseren Regelung.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist
insoweit umzusetzen.
11.1.3 Strafprozessordnung Teil 2 – Trojaner für Ermittler
Vor der Umsetzung der Richtlinie für den Datenschutz
im Polizei- und Justizbereich (JI-Richtlinie) hat der
Gesetzgeber die Strafprozessordnung (StPO) erheblich
geändert. Zunächst war der entsprechende Entwurf
zur Änderung der StPO datenschutzrechtlich eher
unscheinbar, aber im parlamentarischen Verfahren
wurde auf Grundlage einer sogenannten Formulierungshilfe des Bundesministeriums der Justiz und für
Verbraucherschutz (BMJV) eine Rechtsgrundlage für
Online‑Durchsuchung und Quellen-Telekommunikati-