Drucksache 15/4897
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Die Kommission hat weiterhin von ihrem Recht nach
§ 15 Abs. 5 G10 Gebrauch gemacht und Mitarbeiter zu
den Diensten entsandt, denen dort Auskunft zu den Fragen der Kommission sowie Einsicht in alle Unterlagen,
die im Zusammenhang mit den Beschränkungsmaßnahmen stehen, gewährt wurde. Schwerpunkt der Informations- und Kontrollbesuche bildeten dabei insbesondere
die von den Diensten ergriffenen Maßnahmen hinsichtlich der Umsetzung der Protokollierungs-, Kennzeichnungs- und Löschungspflichten. Die Mitarbeiter der
Kommission haben dazu auch stichprobenartig Einsicht
in die Datenverarbeitung genommen. Über das Ergebnis
der Informations- und Kontrollbesuche wurde die Kommission eingehend unterrichtet.
IV.
Beschränkungsmaßnahmen nach
den §§ 3, 5 und 8 G10
Nach Artikel 10 Abs. 1 GG sind das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden (Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 GG). Dies ist
durch das G10 geschehen.
§ 1 Abs. 1 G10 enthält die Grundbestimmung für entsprechende Beschränkungsmaßnahmen. Die Vorschrift umschreibt in allgemeiner Form, wer zu welchem Zweck
Überwachungsmaßnahmen nach diesem Gesetz durchführen darf. Allgemeine Voraussetzung für den Grundrechtseingriff einer Beschränkung des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses ist zunächst das Tätigwerden zur
Abwehr von drohenden Gefahren für überragende
Rechtsgüter. Die überragenden Rechtsgüter sind in § 1
Abs. 1 G10 enumerativ genannt. Danach geht es im Einzelnen um die Abwehr von drohenden Gefahren
– für die freiheitliche demokratische Grundordnung,
– für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder
eines Landes,
– für die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nicht deutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages.
Die weiteren Voraussetzungen richten sich danach, welche Art der Maßnahme vorgenommen wird. Unterschieden wird dabei zwischen den Beschränkungen in Einzelfällen nach § 3 G10 (so genannte Individualmaßnahmen)
und den strategischen Beschränkungen nach den §§ 5 und
8 G10.
1.
Beschränkungen in Einzelfällen
nach § 3 G10
a)
Allgemeine Voraussetzungen
Die Post- und Fernmeldekontrolle der Nachrichtendienste
ist eine Erkundung im strafrechtlichen Vorfeld. Soweit
sich die Maßnahme gegen den einzelnen Verdächtigen
und ggf. gegen Umfeldpersonen richtet, wird sie als „Beschränkung im Einzelfall“ oder auch als „Individualkontrolle“ bezeichnet. Die Voraussetzungen sind in § 3 G10
geregelt. Danach setzt eine Beschränkung der Grundrechte des Einzelnen zusätzlich zur Grundbestimmung in
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 G10 voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass diese Person eine
der in § 3 Abs. 1 G10 aufgeführten „Katalogstraftaten“
plant, begeht oder begangen hat. Im Einzelnen werden
folgende Straftaten aufgeführt:
(1) Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats
(§§ 80 bis 83 StGB);
(2) Straftaten der Gefährdung des demokratischen
Rechtsstaates (§§ 84 bis 86, 87 bis 89 StGB, § 20
Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes);
(3) Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der
äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 96, 97a bis 100a StGB);
(4) Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109e bis
109g des StGB);
(5) Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages
(§§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g StGB
in Verbindung mit Artikel 7 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. Juni 1957 in der Fassung
des Gesetzes vom 25. Juni 1968 [BGBl. I S. 741]);
(6) Straftaten nach
a) den §§ 129a und 130 des Strafgesetzbuches sowie
b) den §§ 211, 212, 239a, 239b, 306 bis 306c, 308
Abs. 1 bis 3, § 315 Abs. 3, § 316b Abs. 3 und
316c Abs. 1 und 3 StGB, soweit diese sich gegen
die freiheitliche Grundordnung, den Bestand oder
die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten;
(7) Straftaten nach § 95 Abs. 1 Nr. 8 des Aufenthaltsgesetzes.
Gleiches gilt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den
Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.
Ein Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 10 GG ist nach
§ 3 Abs. 2 G10 aber nur zulässig, wenn die Erforschung
des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich nur gegen den Verdächtigen (so genannter Hauptbetroffener, § 3 Abs. 1
G10) oder gegen Personen richten, von denen aufgrund
bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den
Verdächtigen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass
der Verdächtige ihren Anschluss benutzt (so genannte Nebenbetroffene, § 3 Abs. 2 Satz 2 G10).
b)
Art und Umfang der Beschränkungsmaßnahmen
Im Berichtszeitraum sind vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und vom Militärischen Abschirmdienst
(MAD) beantragte und genehmigte G10-Maßnahmen