Drucksache 17/8639
I.

–2–

Grundlagen der Berichtspflicht

Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis. Das
Grundrecht schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit
durch einen privaten, vor der Öffentlichkeit verborgenen
Austausch von Kommunikation. Die in Artikel 10 GG
aufgeführten subjektiven Rechte auf Eingriffsunterlassung verpflichten primär die Staatsgewalt, und zwar sowohl des Bundes als auch der Länder, in seinen Funktionen der Gesetzgebung, vollziehenden Gewalt und
Rechtsprechung. Wird der Inhalt von Briefen zur Kenntnis genommen oder wird die Telekommunikation überwacht, dann wird dadurch intensiv in das Grundrecht eingegriffen. Die Schwere des Eingriffs wird auch dadurch
geprägt, dass der Betroffene wegen der gebotenen Heimlichkeit nicht an dem Anordnungsverfahren beteiligt ist
(vgl. BVerfG, 1 BvF 3/92 vom 3. März 2004, in: BVerfGE
110, 33).
Beschränkungen dieses Grundrechts dürfen nur auf
Grund eines Gesetzes angeordnet werden (Artikel 10 Absatz 2 Satz 1 GG). Eine gesetzliche Beschränkung des
Grundrechts aus Artikel 10 GG durch die Nachrichtendienste enthält das Gesetz zur Beschränkung des Brief-,
Post und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz,
G 10) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, ber. 2298),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Dezember 2011
(BGBl. I S. 2576). In § 1 G 10 wird in allgemeiner Form
die Berechtigung der Nachrichtendienste (Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, Militärischer
Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst) geregelt,
Maßnahmen der Überwachung des Brief-, Post- und
Fernmeldeverkehrs durchzuführen. Voraussetzung für
eine Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ist nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 G 10 insbesondere die Abwehr von drohenden Gefahren für die
freiheitliche demokratische Grundordnung oder für den
Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen
Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages. Die weiteren
Voraussetzungen einer Beschränkungsmaßnahme richten
sich danach, welche Maßnahme konkret vorgenommen
wird. Unterschieden wird dabei zwischen den Beschränkungen des Grundrechts nach Artikel 10 GG in Einzelfällen gemäß § 3 G 10 (sog. Individualmaßnahmen) und
den strategischen Beschränkungsmaßnahmen nach den
§§ 5 und 8 G 10.
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat dem Deutschen Bundestag nach § 14 Absatz 1 Satz 2 G 10 jährlich
einen Bericht über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G 10 zu
erstatten. Im Rahmen der Berichterstattung sind die Geheimhaltungsgrundsätze des § 10 Absatz 1 des Gesetzes
über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz –
PKGrG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2346) zu beachten.
Seinen letzten Bericht hat das Kontrollgremium am
17. Dezember 2010 (Bundestagsdrucksache 17/4278)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

vorgelegt. Er erstreckte sich auf den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2009. Auf die dort enthaltenen
Fundstellen früherer Berichte wird verwiesen. Weitere
Hinweise auf Fundstellen zu vorherigen Berichten seit
der 14. Wahlperiode finden sich in der Bundestagsdrucksache 16/11559. Der jetzt vorliegende Bericht setzt diese
Berichterstattung fort und umfasst den Zeitraum vom
1. Januar bis zum 31. Dezember 2010.
II.

Kontrolle der Beschränkungsmaßnahmen
nach dem G 10

Von Behörden des Bundes veranlasste Beschränkungsmaßnahmen nach § 1 Absatz 1 G 10 – wie die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation oder
das Öffnen und Einsehen von Brief- und Postsendungen –
unterliegen der Kontrolle durch das Parlamentarische
Kontrollgremium und durch die G 10-Kommission des
Deutschen Bundestages (§ 1 Absatz 2 G 10). Bei Behörden der Länder obliegt diese Aufgabe den parlamentarischen Gremien des jeweiligen Landes. Angesichts der
Bedeutung des Grundrechts aus Artikel 10 GG tragen die
Nachrichtendienste, die beteiligten Ministerien sowie die
sie kontrollierenden parlamentarischen Gremien eine
hohe Verantwortung bei der Beantragung, Genehmigung,
Durchführung und Kontrolle jeder einzelnen Beschränkungsmaßnahme des Grundrechts aus Artikel 10 GG. Einerseits haben die beteiligten Stellen die Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten, andererseits aber auch die
Rechte jedes Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre zu
wahren.
1.

Kontrolle durch das Parlamentarische
Kontrollgremium

Im Berichtszeitraum oblag die allgemeine parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten auf
dem Gebiet des G 10 dem Parlamentarischen Kontrollgremium der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages.
Am 17. Dezember 2009 beschloss der 17. Deutsche Bundestag, ein aus elf Abgeordneten bestehendes Kontrollgremium einzusetzen. Bei der anschließenden Wahl wurden zehn Abgeordnete mit der nach § 2 Absatz 3 PKGrG
erforderlichen Mehrheit zu Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums gewählt. Es handelt sich – in
alphabetischer Reihenfolge – um die Abgeordneten
Christian Ahrendt (FDP), Peter Altmaier (CDU/CSU),
Clemens Binninger (CDU/CSU), Manfred Grund (CDU/
CSU), Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD), Fritz
Rudolf Körper (SPD), Stefan Müller (Erlangen) (CDU/
CSU), Thomas Oppermann (SPD), Hans-Christian
Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Hartfrid
Wolff (Rems-Murr) (FDP). Am 19. Januar 2010 wählte
der Bundestag den Abgeordneten Wolfgang Nešković
(DIE LINKE.) zum elften Mitglied des Gremiums. Im
Anschluss an den Berichtszeitraum wurde am 12. Mai
2011 für den Abgeordneten Stefan Müller (CDU/CSU)
der Abgeordnete Dr. Hans Peter Uhl (CDU/CSU) zum
Mitglied des Gremiums gewählt.

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