1/1985 Verfassungs- und Verwaltungsrecht 35

Daran ?ndert auch die Tatsache nichts, da? die bilateralen gezielt zur Sammlung von Anhaltspunkten im Sinne des ? 2
und multilateralen Bem?hungen um den Abbau der Konfron Abs. 1 G 10 verwendet und dadurch eine ?berwachung unter
tation und den Ausbau der politischen Zusammenarbeit in Umgehung von ? 2 G 10 durchgef?hrt w?rde. Die Beschwer
Europa zu relativer politischer Entspannung in dem f?r diese def?hrerin nimmt zu Unrecht an, durch die praktizierte stra
Entscheidung ma?gebenden Zeitraum gef?hrt haben. Wie der tegische Kontrolle w?rde dies geschehen, und die Vorausset
Chef des Bundeskanzleramtes am 8. 3. 1979 f?r die Bundesre zungen des ? 2 G 10 w?rden damit ?berspielt.
gierung im Bundestag betont, hat, haben diese Bem?hungen
a) Die Beschwerdef?hrerin verkennt - wie bereits dargetan
bis dahin jedoch nicht zu einem Abbau milit?rischer Poten -, da? sich die strategische ?berwachung nicht gegen be
tiale gef?hrt. Die Bundesregierung mu? im Rahmen ihrer
stimmte Personen richtet, sondern aus Gr?nden der ?u?eren
verfassungsm??igen Verantwortung f?r die ?u?ere Sicherheit Sicherheit Post- und Telefonverkehr ohne jeden Bezug auf
die Ma?nahmen ergreifen k?nnen, die zur rechtzeitigen Auf einzelne Personen ?berwacht wird. Die technischen Verfah
kl?rung der Gefahr bewaffneter Angriffe auf das Bundesgebiet rensabl?ufe der strategischen Kontrolle zeigen im ?brigen,
unumg?nglich sind. Hierzu geh?rt auch die M?glichkeit zur da? diese ?berwachung nicht geeignet ist, gezielt Anhalts
?berwachung bestimmter Post- und Fernmeldeverkehrsver punkte im Sinne des ? 2 Abs. 2 G 10 zu sammeln. Da eine
bindungen unter strikter Beachtung der Voraussetzungen des Auswahl der Postsendungen nach individuellen Merkmalen Gesetzes zu Art. 10 GG. Um die in ? 3 G 10 beschriebenen
nach bestimmten Absendern und/oder Empf?ngern - auf
Gefahren eines bewaffneten Angriffs von au?en erkennen zu grund des vom Bundespostminister der Verteidigung in seiner
k?nnen, kann die strategische Kontrolle nicht erst einsetzen, Stellungnahme dargelegten und durch ? 3 Abs. 1 G 10 gebote
wenn die Gefahr bereits eingetreten ist. Um ihr rechtzeitig mit nen Verfahrens unm?glich ist, kann die strategische Kontrolle
politischen Mitteln begegnen zu k?nnen, mu? es m?glich sein, nicht dazu verwendet werden, Einzel?berwachung zu be
die ?berwachungsma?nahmen nicht erst in Spannungszu treiben.
st?nden, sondern bereits in relativ ruhigen Zeiten zu treffen.

Allerdings m?ssen in dem Antrag des Pr?sidenten des Bun
desnachrichtendienstes oder dessen Stellvertreters gem?? ? 4
Abs. 2 G 10 schriftlich die Voraussetzungen f?r die Zul?ssig
keit der Ma?nahme dargelegt werden. Das bedeutet im Ein
zelfall, da? f?r die Entscheidungen nach ? 9 G 10 nachpr?fba
re tats?chliche Anhaltspunkte f?r die Notwendigkeit der Ein
leitung der Beschr?nkungsma?nahmen vorliegen m?ssen (? 4
Abs. 3 Satz 1 G 10). Auch mu? nachpr?fbar begr?ndet wer
den, warum die Erforschung des Sachverhalts durch andere,
die Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG weniger ber?hrende
Ma?nahmen aussichtslos oder wesentlich erschwert ist (? 4

Bei der Postkontrolle ist zwar theoretisch das Festhalten
von Absender und Empf?nger m?glich. Mit Recht weist aber
der Bundesminister der Verteidigung darauf hin, da? der
Versuch, die Post einer bestimmten Person mit Ma?nahmen

der strategischen ?berwachung zu erfassen, schon an der
Wahrscheinlichkeitsrechnung scheitern mu?. Es ist kaum

m?glich, genau die Posts?cke zu ?greifen", in denen sich die
Post eines bestimmten Absenders oder Empf?ngers befindet.
Die ?berwachung einzelner Personen im Rahmen der strate
gischen Kontrolle ist aufgrund der modernen postalischen
Abwicklung, insbesondere durch die Automatisierung des
Telefonverkehrs und den Massenverkehr im Postbereich, aus
Abs. 3 Satz 2 G 10). Dazu w?re es nicht ausreichend, wenn
technischen Gr?nden weitgehend praktisch ausgeschlossen
der nach ? 4 Abs. 2 Nr. 2 G 10 antragsberechtigte Bundes
(vgl. Claus Arndt, in: Recht und Politik, 1980, S. 43). Bei
nachrichtendienst lediglich darauf hinweisen w?rde, die zu
Ferngespr?chen werden die Teilnehmer schon deshalb nicht
?berwachenden Post- und Fernmeldeverkehrsbeziehungen
gezielt festgehalten, weil regelm??ig computergesteuert Ge
best?nden zu L?ndern, die dem Warschauer Pakt angeh?ren.
spr?che nur mitgeschnitten werden, in denen bestimmte Be
Solche unsubstantiierten Hinweise w?rden das Erfordernis
griffe oder Silben enthalten sind. Allein solche Auswertungs
der Darlegung der Voraussetzungen f?r die Zul?ssigkeit der verfahren sind f?r den Zweck der Ma?nahmen nach ? 3 Abs. 1
strategischen Kontrollma?nahme (? 4 Abs. 3 G 10) unterlau
fen und damit zu einer dem Gesetz zu Art. 10 GG nicht G 10 ertragreich, die sich ohne Zwischenschaltung menschli
cher Arbeitskraft unmittelbar moderner Methoden der auto

entsprechenden Anordnung und somit unzul?ssigen Be

schr?nkung der Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG f?hren.
Daf?r spricht zus?tzlich, da? nach ? 5 Abs. 3 G 10 die Anord
nung auf h?chstens drei Monate zu befristen ist und Verl?nge
rungen um jeweils nicht mehr als drei weitere Monate auf
Antrag zul?ssig sind, soweit die Voraussetzungen der Anord
nung fortbestehen. Auch insoweit w?re eine Pr?fung der
Voraussetzungen sinnlos, wenn die Anordnung stets ohne
einen im einzelnen zu begr?ndenden Anla? zul?ssig w?re.

matischen Datenauswertung bedienen. Dann bleiben die Part
ner der Gespr?che ohnehin unbekannt (vgl. Claus Arndt, in:

Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 52). Gezielte
?berwachungsma?nahmen gegen einzelne Personen oder

Fernsprechanschl?sse sind ferner deswegen unm?glich, weil
im automatisierten Telefonnetz nicht vorhersehbar ist, wel
chen Weg ein Telefongespr?ch nehmen, das hei?t durch wel
che Kabel es flie?en wird (Claus Arndt, aaO). Auch sonst ist
es im Fernsprechverkehr in der Regel technisch nicht m?glich,
III. Es sind keine Anzeichen daf?r erkennbar, da? die die Gespr?chspartner zu identifizieren, wenn sie nicht selbst,
strategische Kontrolle zu sachfremden Zwecken mi?braucht was selten genug der Fall ist, sich im Verlauf des Gespr?chs
wird, etwa zur Einzel?berwachung von Personen oder zur ?ber die Identit?t ?u?ern (Claus Arndt, aaO).
Sammlung von Nachrichten ?ber Sachverhalte, deren Kennt
b) Wenn bei Ma?nahmen der strategischen ?berwachung
nis notwendig ist, um Gefahren f?r die innere Sicherheit (den
nach ? 3 Abs. 1 G 10 dennoch zuf?llig personenbezogene
inneren Frieden) der Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig
Erkenntnisse anfallen, verbietet das Gesetz (? 3 Abs. 2 Satzl
zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen.
G 10) ausdr?cklich, die so erlangten Kenntnisse und Unterla
1. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des ? 3 G 10 gen zum Nachteil von Personen zu verwenden. Eine Ausnah
d?rfen Beschr?nkungen f?r Post- und Fernmeldeverkehrsbe me ist nur dann zugelassen, wenn gegen die Person eine
ziehungen zur Gefahrenabwehr f?r die innere Sicherheit des Beschr?nkung nach ? 2 G 10 angeordnet ist oder wenn tat
Staates nicht eingesetzt werden. Dadurch w?rden die staatli s?chliche Anhaltspunkte f?r den Verdacht bestehen, da? je
chen Stellen in jedem Fall in unzul?ssiger Weise in die durch mand eine der in ? 2 G 10 oder eine andere der in ? 138 StGB
Art. 10 Abs. 1 GG gew?hrleisteten Grundrechte eingreifen.
genannten Handlungen plant, begeht oder begangen hat (? 3

2. Auch bei einer zul?ssigen Ma?nahme der strategischen Abs. 2 Satz 2 G 10): Von dieser gesetzlich eng begrenzten
?berwachung nach ? 3 G 10 w?rde ein verfassungswidriger M?glichkeit der Weitergabe personenbezogener Angaben ab
gesehen, ist jede ?bermittlung mit den Grundrechten aus
Mi?brauch der Kontrolle vorliegen, wenn diese durch Ver
Art. 10 Abs. 1 GG unvereinbar.
wertung von Zufallserkenntnissen (? 3 Abs. 2 Satz 2 G 10)

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