1/1985 Verfassungs- und Verwaltungsrecht 33

Das Postgeheimnis gew?hrleistet den Schutz f?r den durch eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutsch
die Post vermittelten Verkehr nicht nur gegen?ber der Post, land rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu
sondern auch gegen?ber allen anderen Staatsgewalten, insbe
begegnen.
sondere der postfremden Exekutive. Es erstreckt sich insbe
a) Die Beschwerdef?hrerin h?lt die strategische ?berwa
sondere auf den konkreten Inhalt der ?bermittelten Sendung chung schon deshalb f?r ungeeignet, weil eine pauschale
und sch?tzt vor der Offenbarung (?bermittlung, Weiterga ?berpr?fung des Post- und Telefonverkehrs allenfalls ein
be), wer mit wem durch die Post Briefe und Sendungen kaum repr?sentatives Bild ?ber die Stimmungslage- in den
wechselt, vor der ?ffnung verschlossener Sendungen, vor
betreffenden L?ndern geben k?nne. Dabei geht es um die
Nachforschungen nach ihrem Inhalt und vor Eingriffen post Frage, ob tats?chlich, wie die Beschwerdef?hrerin meint, die
fremder Stellen (vgl. BVerwGE 6, 299 [300 f.] = JZ 1959, 89 generelle ?berpr?fung des Post- und Fernmeldeverkehrs mit
[Oehler]).
den L?ndern des Warschauer Paktes vorgesehen ist. Das ist
Das Fernmeldegeheimnis sichert den Einzelnen nicht nur
nicht der Fall; eine globale oder pauschale ?berwachung des
Post- und Fernmeldeverkehrs findet nicht statt und w?re von
gegen?ber der Post, sondern auch B?rger und Post gegen?ber
anderen staatlichen Stellen. Es sch?tzt den privaten und den
? 3 G 10 auch nicht gedeckt. Danach d?rfen Beschr?nkungen
gesch?ftlichen Fernmeldeverkehr vor Eingriffen der ?ffentli
nach ? 1 G 10 nur f?r bestimmte Post- und Fernmeldever
chen Gewalt. Die grundrechtliche Gew?hrleistung umfa?t
kehrsbeziehungen angeordnet werden, die sich jeweils gegen
nicht nur den Inhalt gef?hrter Telefongespr?che, sondern
eine unbestimmte Vielzahl von Post- und Fernmeldevorg?n
auch die n?heren Umst?nde des Fernmeldeverh?ltnisses. Dazu
gen richten, wobei die Identit?t der an den Kommunikations
geh?rt insbesondere die Tatsache, ob und wann zwischen
vorg?ngen beteiligten Personen ohne Bedeutung sein mu?.
welchen Personen und Fernmeldeanschl?ssen Fernmeldever

kehr stattgefunden hat oder versucht worden ist (vgl. OVG
M?nster NJW 1975, S. 1335).
2. Beschr?nkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheim
nisses d?rfen nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden
(Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Gesetzesvorbehalt bedeutet ?hnlich wie die Einschr?nkung in Art. 5 Abs. 2 GG - keinen
absoluten Vorrang jedes einschr?nkenden Gesetzes (BVerfGE

27, 88 [102] = JZ 1970, 103; 30, 1 [17]); er deckt aber

insbesondere ein Gesetz, das aus Gr?nden des Staatsschutzes
Einschr?nkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
ses zur Abwehr von Gef?hrdungen der freiheitlichen demo

kratischen Grundordnung oder des Bestandes des Staates

vorsieht (BVerfGE 27, 88 [102]; 30, 1 [17 f.]). Dies ist durch

das Gesetz zu Art. 10 GG geschehen. Die Beziehung zwi

schen den grundrechtseinschr?nkenden Gesetzen - hier des
Gesetzes zu Art. 10 GG - und den Grundrechten aus Art. 10

Abs. 1 GG ist dabei nicht als einseitige Beschr?nkung der
Geltungskraft der Grundrechte aufzufassen; vielmehr ist das

grundrechtseinschr?nkende Gesetz seinerseits aus der Er

kenntnis der grundlegenden Bedeutung dieser Grundrechte
auszulegen und so in seiner grundrechtsbegrenzenden Wir
kung selbst wieder im Lichte dieser Grundrechte einzuschr?n
ken (vgl. VerfGE 7, 198 [208 f.] = JZ 1958, 119; st. Rspr.,
zuletzt BVerfGE 59, 231 [264 f.] = JZ 1982, 366 - Rundfunk
mitarbeiter -; 60, 234 [240] = JZ 1982, 675 - Kredithaie -; 61,
1 [10 f.], jeweils zu Art. 5 Abs. 2 GG; BGHSt. 29, 244 [249]

= JZ 1980, 776 [dazu Riegel S. 757] zu Art. 10 GG;

Notwendig ist eine geographische Raumbezogenheit der

Ma?nahmen sowie das Fehlen einer konkreten Beziehung zu

den betroffenen Einzelpersonen. Der Bundesminister der

Verteidigung bestimmt mit Zustimmung des Abgeordneten
gremiums nach ? 9 Abs. 1 G 10 diejenigen Post- und Fernmel
deverkehrsbeziehungen, f?r die Beschr?nkungen angeordnet
werden k?nnen. Die ergehende Einzelanordnung des Bundes
ministers der Verteidigung mu? die zu ?berwachende Post
oder Fernmeldeverkehrsbeziehung festlegen und bestimmen,
auf welche postalische Einrichtungen und auf welchen Zeit
raum sie sich erstreckt. Post- und Fernmeldeverkehrsbezie
hung bezeichnet einen planm??ig festgelegten Post- und Fern
meldeverkehr zwischen zwei bestimmten Endpunkten in bei
den Richtungen. Darunter ist beispielsweise ein bestimmtes,

stets grenz?berschreitendes Sammelkabel zwischen zwei

Fernsprechknoten zu verstehen, das in der Regel nach interna
tionalem Brauch oder Vertr?gen mit einer Kennummer be
zeichnet ist. Entsprechende Festlegungen bestehen zwischen
den einzelnen nationalen Postverwaltungen auch f?r die regel
m??ige Versendung (?bergabe) von mit Brief- oder Paketpost
gef?llten Posts?cken (Claus Arndt, in: Verfassungsschutz und

Rechtsstaat, 1981, S. 43 [51]). Aus alledem ergibt sich, da?
keine generelle ?berpr?fung des Post- und Telefonverkehrs

mit L?ndern des Warschauer Paktes stattfinden darf und nach

der Stellungnahme der Bundesregierung auch nicht statt
findet.

b) Zweck der strategischen ?berwachung ist die Gewin

Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG). Die Begrenzung mu? mithin

verh?ltnism??ig sein (BVerfGE 7, 377 [404 ff.] = JZ 1958, 472
[dazu BachofS. 468]; 30, 1 [29]; 30, 292 [316]).

nung einer bestimmten Art prinzipiell nicht personenbezoge
ner Nachrichten, die zur Information der Bundesregierung
?ber verteidigungspolitische Tatsachen dienen (Claus Arndt,
aaO). Ziel ist die Sammlung von sachbezogenen Informatio
nen, nicht aber von personenbezogenen Daten (Claus Arndt,

II. Nach dem Grundsatz der Verh?ltnism??igkeit mu? die
hier in Frage stehende Grundrechtsbegrenzung (strategische

geht darum, aus Nachrichten (Mosaiksteinchen) ?ber Sach

BGHSt 19, 325 [333] = JZ 1965, 32 [dazu Sax S. 1] zu Art. 1

?berwachung) geeignet sein, den Schutz des Rechtsguts

(rechtzeitiges Erkennen und Begegnen der Gefahr eines be
waffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland) zu
bewirken. Sie mu? dazu erforderlich sein, was nicht der Fall
ist, wenn ein milderes Mittel ausreicht. Schlie?lich mu? sie im
engeren Sinne verh?ltnism??ig sein, das hei?t in angemesse

nem Verh?ltnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des

Grundrechts stehen (vgl. BVerfGE 30, 292 [316 f.]).

1. Das Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der ge

w?nschte Erfolg gef?rdert werden kann (BVerfG, aaO;
BVerfGE 33, 171 [187]). Unter diesem Gesichtspunkt geht es
darum, ob die strategische ?berwachung nach ? 3 G 10, also
die Kontrolle von Post- und Fernmeldeverkehrsbeziehungen,
?berhaupt zur Sammlung von Nachrichten ?ber Sachverhalte
geeignet ist, deren Kenntnis notwendig ist, um die Gefahr

aaO; unzutreffend Schwan NJW 1980, S. 1992 [1997]). Es

verhalte im Sinne des ? 3 G 10 - etwa auch in der Zusam
menschau mit Erkenntnissen aus anderen Quellen - verteidi
gungspolitisch relevante Tatsachen zu gewinnen, also um die
nachrichtendienstliche Erkenntnis von Tatsachen zur recht
zeitigen Aufkl?rung bewaffneter Angriffe auf die Bundesre
publik Deutschland (vgl. BTDrucks. V/1880 S. 9).

c) Mit Hilfe der ?berwachung von Post- und Fernmelde
verkehrsbeziehungen kann die Sammlung von Nachrichten
?ber Sachverhalte im Sinne des ? 3 Abs. 1 G 10 gef?rdert
werden. Ob damit der gew?nschte Erfolg tats?chlich eintritt,
ist nicht entscheidend. Zumindest erleichtert die Post- und
Telefonkontrolle, aus aufgefangenen Informatonsbruchst?k
ken ein milit?rpolitisches Mosaik der Lage im Gefahrengebiet

zusammenzuf?gen. Es ist auch nicht auszuschlie?en, da?

durch die Kontrolle allein oder in Zusammenschau mit ande

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