Auswertung von Kraftfahrzeugkennzeichnen ermöglichen. So erlaubt § 14 Abs. 5
HSOG die automatisierte Erhebung der Daten von Kraftfahrzeugkennzeichen ohne
Einschränkung „auf öffentlichen Straßen und Plätzen“. Auch § 184 Abs. 5 LVwG,
der die Informationserhebung an anderweitig gesetzlich geregelte „Kontrollen im öffentlichen Verkehrsraum“ knüpft und lediglich den „flächendeckenden Einsatz technischer Mittel“ untersagt, schließt anlasslose automatisierte Kennzeichenerfassungen
nicht aus (siehe oben C II 2 b dd <1>, <2>). In beiden Ländern werden daher die
von der Verfassung nicht zugelassenen grundrechtseingreifenden Ermittlungen „ins
Blaue hinein“ ermöglicht.
Eine automatisierte Kennzeichenerfassung, die unterschiedslos jeden nur deshalb
trifft, weil er mit einem Fahrzeug eine ohne besonderen Anlass oder gar dauerhaft
eingerichtete Stelle zur automatisierten Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen
passiert, vermittelt im Übrigen den Eindruck ständiger Kontrolle. Das sich einstellende Gefühl des Überwachtwerdens kann - wie bereits dargestellt (siehe oben C II 1 a)
- zu Einschüchterungseffekten und in der Folge zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten führen. Hierdurch sind nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen betroffen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die
Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und
Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; auch BVerfGE 100, 313 <381>).
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(2) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch nicht dadurch gewahrt worden,
dass die automatisierte Kennzeichenerfassung etwa auf die Abwehr einer konkreten
Gefahr beschränkt wäre. Unterblieben ist ebenfalls eine Begrenzung auf eine stichprobenhafte Durchführung der Maßnahme, die zur Ermöglichung von Eingriffen lediglich geringerer Intensität, etwa zur Erfassung der Kennzeichen gestohlener Kraftfahrzeuge, zulässig wäre; allerdings hätte dann zugleich vorgesorgt sein müssen,
dass der für die Erfassung herangezogene Datenbestand sich auf diesen Anlass, im
Beispiel die Ermittlung gestohlener Kraftfahrzeuge, beschränkt.
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Die automatisierte Kennzeichenerfassung ist auch nicht auf Situationen begrenzt
worden, in denen Umstände der konkreten Örtlichkeit - zum Beispiel das Fahren auf
Straßen in Bereichen nahe der Bundesgrenze - oder dokumentierte Lageerkenntnisse über Kriminalitätsschwerpunkte einen Anknüpfungspunkt geben, der auf gesteigerte Risiken der Rechtsgutgefährdung oder -verletzung und zugleich auf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hinweist, dass diesen Risiken mit Hilfe der
automatisierten Kennzeichenerfassung begegnet werden kann.
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(3) Die Gesetzgeber haben auch hinsichtlich der Eingriffsvoraussetzungen nicht differenzierend berücksichtigt, ob die von der Maßnahme Betroffenen einen Anlass für
die Aufnahme in den Fahndungsbestand gegeben haben. Werden beispielsweise als
Fahrzeugkennzeichen zum Fahndungsbestand auch solche gezählt, bei denen der
Polizei nur Teile eines Kennzeichens bekannt sind, nach dem gefahndet wird, liegt
zwar ein Anlass für die Suche nach dem Kraftfahrzeugkennzeichen vor; weil aber nur
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