werden als der bloße Aufenthaltsort. So kann aus der Nähe eines geparkten Wagens
zu einem Veranstaltungsort oder aus einer Erfassung der Fahrzeuge auf den Zufahrtswegen die Vermutung abgeleitet werden, dass der Fahrer eine bestimmte Veranstaltung, etwa ein Fußballspiel oder eine Versammlung, aufsucht (vgl. Bayerischer Landtag, Drucks. 15/6700, S. 28, 38; Thüringer Landtag, Plenarprotokoll 4/59,
S. 6047 <6048>; Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Plenarprotokoll 4/79, S. 4810
<4811, l. Sp.>). Die Maßnahme kann sich unter solchen Umständen als funktionales
Äquivalent eines grundrechtlichen Eingriffs in andere grundrechtliche Freiheiten darstellen (vgl. BVerfGE 113, 63 <76>; 116, 202 <222>). Werden etwa die Teilnahme
an Versammlungen oder die Beteiligung an einer Bürgerinitiative gezielt notiert (vgl.
28. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz in BadenWürttemberg, 2007, S. 18-20), so kann dies verhaltenssteuernde Wirkung entfalten
(vgl. BVerfGE 65, 1 <43>) und die ausgeübten Kommunikationsfreiheiten als eingriffsgleiche Maßnahme betreffen.
(3) Die Intensität der individuellen Grundrechtsbeschränkung kann ferner durch die
Möglichkeit einer heimlichen Vornahme der Maßnahme erhöht sein. Zwar wird die für
die Erfassung eingesetzte Kamera in vielen Fällen für den Vorbeifahrenden wahrnehmbar sein, es sei denn, die Geräte würden verdeckt aufgestellt oder das Fahrzeug würde aus der Rückansicht erfasst. Ob aber ein Trefferfall registriert wird und
die Daten gespeichert sowie für weitere Zwecke genutzt werden, ist für den Betroffenen selbst dann nicht erkennbar, wenn er die Kamera gesehen hat. Mangels Kenntnis hat er keinen Anlass, Rechtsschutz zu suchen. Anders liegt es, wenn er über die
Erhebung durch Anschlussmaßnahmen erfährt, etwa weil das Fahrzeug umgehend
durch die Polizei angehalten wird.
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(4) Ermöglicht es die Ermächtigung, persönlichkeitsrelevante Informationen über
einzelne Fahrten zu gewinnen, oder sollen Informationen über mehrere Einzelfahrten
zu einem Bewegungsprofil zusammengestellt werden, so kann die Kennzeichenerfassung als ein Mittel der technischen Observation eingesetzt werden. Sie bietet
dann nicht mehr lediglich einen Schlüssel zu Folgemaßnahmen, indem sie den
Adressaten für diese weiteren Maßnahmen greifbar macht. Vielmehr liefert sie selbst
dann schon diejenigen Informationen, auf deren Sammlung es der Polizei ankommt.
Die Maßnahme effektiviert in diesem Fall nicht lediglich das bisherige Eingriffsinstrumentarium der Polizei, sondern stellt sich selbst als eine neuartige Eingriffsmöglichkeit mit potentiell hoher Persönlichkeitsrelevanz dar.
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Die besondere Schlagkraft und Eingriffsintensität eines derartigen Observationsmittels entsteht sowohl aus der Vervielfachung der Zahl der möglichen Erfassungsvorgänge (vgl. BVerfGE 107, 299 <328>; 115, 320 <357>) gegenüber den bisherigen
technischen und personellen Möglichkeiten der Polizei als auch aus den durch die
Automatisierung und Vernetzung ermöglichten verbesserten Bedingungen für eine
effektive und zudem heimliche Datenerfassung und -verarbeitung.
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Insbesondere durch längerfristige oder weiträumig vorgenommene Kennzeichener-
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