Drucksache 17/5200
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Wir sehen es positiv, dass der Bundesminister des Innern eine gesetzliche Regelung anstrebt, die als rote Linie
die unabdingbaren Mindestanforderungen für die Verarbeitung von personenbezogenen Geoinformationen festschreibt. Diese muss aber einen angemessenen Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewährleisten. Eine Selbstverpflichtung der Internetwirtschaft (Datenschutzkodex für Geodienste) kann gesetzliche Regelungen nicht ersetzen. Soweit die Bundesregierung gleichwohl diesen Weg einschlagen will, muss eine
Selbstverpflichtung mindestens die folgenden Anforderungen erfüllen:
a. Es ist ein allgemeines Widerspruchsrecht gegen die Veröffentlichung georeferenzierter personenbezogener Informationen im Internet zu schaffen.
b. Um das Einlegen von Widersprüchen möglichst unbürokratisch zu ermöglichen und die Daten der Widersprechenden optimal zu schützen, ist ein Widerspruchsregister einzurichten. Dieses ist bei einem unabhängigen
Trust Center als vertrauenswürdiger Stelle zu führen.
c. Die Selbstverpflichtung muss für die gesamte Internetwirtschaft verbindlich sein.
d. Bei Verstößen gegen die Selbstverpflichtung müssen wirksame Sanktionen vorgesehen werden.
e. Der Datenschutz-Kodex darf keinesfalls hinter den Verhandlungsergebnissen zurückbleiben, die die zuständigen Aufsichtsbehörden mit den Anbietern einschlägiger Dienste (insbesondere Google Street View) erreicht
haben.
5. Sofern es der Internetwirtschaft bis zum 5. IT-Gipfel am 7. Dezember 2010 nicht gelingt, eine Selbstverpflichtung vorzulegen, die den genannten Anforderungen genügt, muss der Gesetzgeber entsprechende Regelungen
schaffen.
4.1.4
Geodaten im öffentlichen Bereich
Auch die von öffentlichen Stellen gesammelten Geodaten
können Persönlichkeitsverletzungen bewirken.
Auch die öffentliche Verwaltung ist, z. B. zu Zwecken der
Daseinsvorsorge oder zu planerischen oder statistischen
Zwecken, in einem erheblichen Umfang auf die Verarbeitung von Geoinformationen angewiesen. Außerdem gehört es zu den Aufgaben einer Reihe von Behörden, selbst
für Zwecke der behördlichen oder wirtschaftlichen Weiterverwendung Geoinformationen zu erheben und bereitzustellen. Hierzu gehören in erster Linie die sog. Geobasisdaten (vgl. Kasten zu Nr. 4.1.4), aber auch detaillierte
Geofachdaten.
In Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie haben der Bund
und die meisten Länder Geodatenzugangsgesetze erlassen, die die Einrichtung einer nationalen und europaweiten Geodateninfrastruktur und ein allgemeines Zugangsrecht zu Geodaten vorsehen (vgl. 22. TB Nr. 7.1).
Für den Umgang mit Geobasisdaten durch geodatenhaltende Stellen des Bundes plant die Bundesregierung die
Vorlage eines Entwurfs für ein Bundesgeobasisdatengesetz. Der Gesetzentwurf des BMI befindet sich in der Abstimmung mit den anderen Ressorts, an der ich ebenfalls
beteiligt werde.
Den datenschutzrechtlichen Kern der Diskussion bildet
die Frage, in welchem Umfang Geodaten personenbezogen sind. Nur bei Personenbezug ist das Datenschutzrecht
anwendbar und kann den Einzelnen schützen. Unbestritten
ist, dass es gerade bei den Geobasisdaten eine Reihe von
Verwendungsmöglichkeiten gibt, die nur geringe Rele-
BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010
vanz für die Persönlichkeitsrechte aufweisen. Vereinzelt
wird vorgeschlagen, bei solchen eher sachbezogenen Informationen von vornherein dann nicht von einem Personenbezug auszugehen, wenn eine Herstellung des Personenbezugs nicht bezweckt wird. Ich halte die Orientierung
am Verwendungszweck für einen gefährlichen und rechtlich falschen Ansatz. Nach dem Volkszählungsurteil des
Bundesverfassungsgerichts gibt es keine belanglosen Daten. Entscheidend ist allein, ob der Personenbezug gegeben ist oder ohne unverhältnismäßigen Aufwand hergestellt werden kann. Die Herausnahme vermeintlich
unsensibler Daten aus dem Anwendungsbereich des Datenschutzrechts hätte fatale Wirkungen: Zum einen könnten diese Daten in einem anderen Verwendungskontext
durchaus Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht haben. Zum anderen ist zu befürchten, dass nicht nur amtliche Geodaten, sondern alle möglichen anderen Daten, die
in bestimmten Konstellationen ebenfalls einen nur indirekten Personenbezug aufweisen (IP-Adressen, Telefonnummern, Autokennzeichen), nicht mehr geschützt würden.
Im Hinblick auf die nur geringe Wahrscheinlichkeit und
Intensität von möglichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen halte ich es für einen besseren Weg, für bestimmte
Verwendungen von Daten Erleichterungen vorzusehen,
wie es durch das Geodatenzugangsgesetz des Bundes bereits – wenn auch sehr weitgehend – geschehen ist. Der
Entwurf des Bundesgeobasisdatengesetzes geht wegen der
ungeklärten Fragen der persönlichkeitsrechtlichen Relevanz von Geobasisdaten bisher nicht auf diese Fragen ein,
sondern überlässt die Lösung datenschutzrechtlicher Probleme dem allgemeinen Datenschutzrecht.