Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5200
– 175 –
n o c h Anlage 6
Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
„Ein modernes Datenschutzrecht für das 21. Jahrhundert“
2. Grundsätzliche Erwägungen
2.1
Zielbestimmungen und Grundstruktur des Gesetzes
Das Datenschutzrecht hat sich in seiner Grundstruktur in den letzten Jahrzehnten nicht verändert, obwohl sich die technischen Voraussetzungen der elektronischen Datenverarbeitung und der Umfang der dabei anfallenden personenbezogenen Daten und damit die Gefährdung des Persönlichkeitsrechts radikal
gewandelt haben. Die Prämissen der Datenschutzgesetze entsprechen immer
weniger den Bedingungen der heutigen technologischen und gesellschaftlichen
Realität. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn die wesentlichen Regelungskonzepte der Datenschutzgesetze stammen im Kern aus der Zeit der Großrechner, in der PCs und Internet noch unbekannt waren.
Eine Vielzahl von Spezialregelungen, die das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
ganz oder teilweise überlagern und verdrängen, haben das Recht für Anwenderinnen und Anwender wie Betroffene unübersichtlich und unverständlich gemacht. Obwohl das Bundesverfassungsgericht immer wieder die Bedeutung des
Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung unterstrichen und dieses um
das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ergänzt hat, tritt die eigentliche Zielsetzung des Datenschutzes immer mehr in den Hintergrund, nämlich der Einzelnen/dem Einzelnen als Ausfluss ihrer/seiner Menschenwürde die Verfügungsmacht über die
ihre/seine Person kennzeichnenden und prägenden Informationen zu sichern
und sie/ihn nicht zum bloßen Objekt der Informationsverarbeitung anderer
werden zu lassen. Die allgegenwärtige Datenverarbeitung bedroht dabei nicht
nur die Menschenwürde, sie beschneidet auch die Handlungs- und Verhaltensfreiheit der/des Einzelnen, etwa wenn diese/dieser in einem videoüberwachten
Raum ihr/sein Verhalten der Tatsache dieser Dauerbeobachtung anpasst. Die
informationelle Selbstbestimmung ist, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt hat, eine unverzichtbare Grundbedingung der Demokratie.
Oberstes Ziel einer Modernisierung des Datenschutzrechts muss es deswegen
sein, die Betroffenen als Grundrechtsträger wieder in den Mittelpunkt zu rücken und den wachsenden Gefährdungen ihrer Menschenwürde und Handlungs- und Verhaltensfreiheit durch die technische Entwicklung und die moderne Massendatenverarbeitung entgegenzutreten.
Die Datenschutzreform sollte folgende wesentliche Elemente enthalten:
•
Neue und konkrete Definition der Schutzziele des Datenschutzes als
Grundlage und Maßstab aller datenschutzrechtlichen Regelungen und
Maßnahmen:
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BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010