Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
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Oktober 2013 Gelegenheit zu weitgehender Akteneinsicht und die zugesagten Kopien.
Eine verwaltungsgerichtliche Auseinandersetzung
konnte so vermieden werden.
5.12.3
§ 1 Absatz 3 IFG und
EG-Verordnungen
Auch EG-Verordnungen können den Informationszugang ausschließende Spezialnormen im Sinne des § 1
Absatz 3 IFG sein.
Im Rahmen seiner Recherche hatte ein Journalist das
Luftfahrtbundesamt (LBA) um Informationen zu
evtl. von einem deutschen Luftfahrtunternehmen
abgegebenen Störungsmeldungen gebeten. Das LBA
hat die gestellten Fragen nicht beantwortet, da nach
Artikel 1 der Verordnung (EG) 1330/2007 der
Kommission vom 24. September 2007 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen für die Weitergabe von Informationen über Ereignisse in der
Zivilluftfahrt an interessierte Kreise nach Artikel 7
Absatz 2 der Richtlinie 2003/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates Störungsmeldungen
vom LBA nur an berechtigte Stellen (wie z. B. Konstrukteure und Hersteller von Luftfahrzeugen, Wartungsdienste, Luftfahrtunternehmen und Betreiber
von Luftfahrzeugen) zur Verbesserung der Flugsicherheit nach einem definierten Verfahren weitergegeben werden dürfen.
Eine Weitergabe der Informationen an den Antragsteller sei deswegen mangels informationsfreiheitsrechtlich begründeter Übermittlungsbefugnis ein
Verstoß gegen das Datenschutzrecht, sofern personenbezogene oder -beziehbare Informationen übermittelt würden.
Der Journalist hat mich daraufhin um Überprüfung
der Ablehnung gebeten.
Nach § 1 Absatz 3 IFG gehen Regelungen in anderen
Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen
Informationen dem IFG vor.
Der Vorrang der Spezialregelung kann sowohl bei
einem engeren, als auch bei einem weiteren Zugangsrecht greifen. Dies gilt jedoch nur, soweit der
Anwendungsbereich der Spezialnorm reicht und sie
als abschließende Regelung anzusehen ist. Im Übrigen bleibt das IFG anwendbar.
EG- bzw. EU-Verordnungen gelten in Deutschland
unmittelbar und haben Gesetzesrang, ohne dass es
- im Gegensatz zu EG-Richtlinien - einer Umsetzung
in nationales Recht bedarf.
Die Existenz einer besonderen Regelung allein ist
aber noch nicht ausreichend für die Verdrängung der
allgemeineren Zugangsregelung des Informationsfreiheitsgesetzes. Beide können - wie z. B. der pres-
Drucksache 18/1200
serechtliche Auskunftsanspruch und der Anspruch
nach dem IFG - u. U. auch nebeneinander anwendbar
sein, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des
Informationszuganges nach beiden Vorschriften
erfüllt sind und sich aus der Zusammenschau der
Regelungen nicht ergibt, es solle nur die eine (spezielle) Regelung Anwendung finden.
Dies ist jedoch regelmäßig dann anzunehmen, wenn
die „bereichsspezifische“ Regelung wie hier die
EG-Verordnung den Informationszugang im öffentlichen Interesse nur für einen nach bestimmten Kriterien bestimmten, engeren Personenkreis und damit
- anders als das IFG - nicht für „jedermann“ öffnen
will.
Die vom LBA angeführte Regelung kann man - was
ihre Beschränkung auf Personengruppen („interessierte Kreise“) oder die Anknüpfung an die Geltendmachung bestimmter Interessen anbelangt - als
spezieller oder vorrangig bezeichnen, das bedeutet
aber noch nicht, dass sie automatisch abschließend
und ausschließlich anwendbar ist.
Eine verdrängende Spezialität bzw. Vorrangigkeit
der speziellen Norm i. S. e. Ausschließlichkeit, die
den Rückgriff auf die allgemeine Norm sperrt, liegt
nur dann vor, wenn sich die Rechtsfolgen der Normen logisch ausschließen, nicht jedoch, wenn die
speziellere Norm die allgemeine ergänzen oder modifizieren soll. Es kommt darauf an, ob im Einzelfall
der Informationszugang nach dem „allgemeiner formulierten Gesetz“ dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwiderliefe.
Hierzu hatte das LBA in seinem Bescheid an den
Journalisten keine näheren Ausführungen gemacht.
Auf meine Bitte hin hat es seine Begründung entsprechend ergänzt. Danach ergebe sich bereits aus
den Erwägungsgründen der Verordnung, dass die
Regelungen hinsichtlich des Informationsanspruchs
abschließend seien und die allgemeinen Regelungen
deshalb nach dem Schutzzweck der Norm ausgeschlossen sein sollten. So gehe Nr. 1 der Erwägungsgründe davon aus, dass der Zweck der Regelung
ausschließlich darin bestehen solle, Unfälle und Störungen zu verhüten. Deswegen sehe die Regelung
vor, Informationen über Unfälle und Störungen nur
dem Adressatenkreis zur Verfügung zu stellen, der
zu der Verbesserung der Sicherheit in der Zivilluftfahrt beitragen könne (Erwägungsgrund Nr. 3). Das
LBA ging daher davon aus, mit der Benennung der
„interessierten Kreise“ als Empfänger sei der Informationszugang für die Allgemeinheit ausgeschlossen. Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung
definiere diesen Kreis abschließend.
Diese rechtliche Wertung wurde von mir geteilt.
Somit bestanden gegen die Ablehnung des Antrages
keine Bedenken.
4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit