Drucksache 18/1200
5.12.2

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Keine Startfreigabe für die Informationsfreiheit, wenn es um die Ursachen von Bauverzögerungen geht?

Auch Unterlagen zur Bauverzögerung beim neuen
Flughafen Berlin-Brandenburg können im Einzelfall
der Informationsfreiheit unterliegen.
Große öffentliche Bauvorhaben führen immer wieder
zu Diskussionen über Sinnhaftigkeit, Umweltverträglichkeit und Kosten, aber auch über Rechtzeitigkeit,
Umfang und Effizienz der Bürgerbeteiligung. Der
Anspruch auf Informationszugang kann zu besserer
Transparenz und besserer öffentlicher Kontrolle
führen.
Im Januar 2013 bat mich ein Mitglied einer Berliner
Bürgerinitiative um Überprüfung eines ablehnenden
Bescheides des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), mit dem der
Zugang zu einer Stellungnahme zur Verantwortlichkeit für Planungs- und Bauverzögerungen am neuen
Berliner Flughafen abgelehnt worden war.
Diese dreißig Seiten umfassende „Sachverhaltsdarstellung zu Störungen des Projektablaufes und deren
Auswirkungen“ war Ende April 2012 auf Veranlassung der „Planungsgemeinschaft Flughafen Berlin
Brandenburg international pg bbi“ von einem großen
Wirtschaftsprüfungsbüro erstellt und u. a. auch dem
BMVBS zugeleitet worden, das den Bund als Gesellschafter im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft
Berlin-Brandenburg (FBB) vertritt.
Eine Klage der FBB wegen Ersatzes des Verzögerungsschadens gegen zwei ehemalige Gesellschafter
der Planungsgemeinschaft war beim LG Potsdam
anhängig, ruhte allerdings seit längerem.
Als Grund für die Ablehnung gab das BMVBS an,
das Bekanntwerden des Gutachtens könne nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung des beim
LG Potsdam anhängigen Zivilverfahrens haben (§ 3
Nummer 1 Buchstabe g IFG). Das Ministerium wies
darauf hin, dass „in der antragsgegenständlichen
Unterlage Sachverhalte behandelt (werden), die für
die o. g. Zivilklage relevant sind oder Rückschlüsse
auf erhebliche Sachverhalte erlauben“. Der Zugang
zu verfahrensrelevanten Informationen könne so für
die Durchführung des laufenden Gerichtsverfahrens
nachteilige Auswirkungen haben. Darüber hinaus
könne die Rechtspflege auch dadurch Schaden nehmen, dass die Öffentlichkeit oder einzelne, am Verfahrensausgang interessierte Personen mit Hilfe der
erlangten Informationen Druck auf die Entscheidungsträger ausüben könnten. Deshalb müsse es den
Rechtspflegeorganen und den Prozessparteien überlassen bleiben, über die Weitergabe der Informationen gemäß den das Gerichtsverfahren betreffenden
rechtlichen Vorgaben zu entscheiden.
4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Ferner wollte das Ministerium die Ablehnung des
Informationszuganges ergänzend auch auf den
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
u. a. der Flughafengesellschaft stützen, die im Zuge
der Drittbeteiligung eingebunden worden war und
die Einwilligung verweigert hatte.
Nach Einsichtnahme in das streitige Gutachten und
intensiver Erörterung mit Vertretern des BMVBS
hatte ich erhebliche Zweifel an der Tragfähigkeit
dieser Argumentation.
Ob das Bekanntwerden des von der Beklagtenseite in
Auftrag gegebenen Gutachtens tatsächlich nachteilige Auswirkungen auf das Verfahren vor dem Landgericht Potsdam haben könnte, hielt ich für sehr
zweifelhaft, dafür gab es jedenfalls keine objektiven
Anhaltspunkte. Eine Verschlechterung der prozesstaktischen Situation der Flughafengesellschaft durch
Bekanntwerden des Gutachtens hielt ich ebenfalls
nicht für plausibel.
Auch die Voraussetzungen des § 6 Satz 2 IFG
(Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen)
waren nicht überzeugend dargelegt.
Wie die Offenlegung von Ausführungen zur Verzögerungsursächlichkeit und Verantwortlichkeit die
Stellung der Flughafengesellschaft oder von Subunternehmern/Auftragnehmern im Wettbewerb (wo, in
welchem Markt und mit welchen Konkurrenten?)
beeinträchtigen könnte, war nicht ersichtlich.
Einzelne Fehlerquellen und Verzögerungsursachen,
ihre Zurechenbarkeit und ihre Bedeutung für den
Planungs- und Baufortschritt waren damals bereits
intensiv in den Medien erörtert worden. Auch auf
Planungsträgerseite waren mir daher keine durch
einen Informationszugang tangierte, schutzbedürftige
Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse erkennbar.
Deshalb habe ich angeregt, wenigstens einen teilweisen Informationszugang zu prüfen. Der rechtzeitig
eingelegte Widerspruch der Petentin und meine Intervention waren erfolgreich:
Das Ministerium hat sich nach erneuter Drittbeteiligung Ende August 2013 zur Gewährung einer
- durch einzelne Schwärzungen personenbezogener
Daten und bestimmter Zahlen eingeschränkten Akteneinsicht und Anfertigung von Kopien bereit
erklärt, sofern die Flughafengesellschaft oder die
Verfasser des für die Planungsgemeinschaft erstellten Gutachtens hiergegen keine Rechtsbehelfe einlegen würden. Die Einsichtnahme in eine Grafik auf
der letzten Seite des Gutachtens wurde ebenfalls
zugesagt, insoweit allerdings die Ablichtung oder
Aufzeichnung aus Gründen des Urheberrechtsschutzes ausgeschlossen.
Da die erneute Drittbeteiligung nicht zur Einlegung
von Rechtsbehelfen führte, erhielt die Petentin im

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